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Schöndorfer: Natürlich ist es eine Provokation, so einen Hashtag zu machen. Es ist aber auch so eine Art performative Aufklärung. Es geht darum, dass diejenigen, die sich selbst noch nie in der Situation gesehen haben, belästigt zu werden, sich damit auseinandersetzen. Ich unterstütze die Erzählungen unter diesem Hashtag. Denn allein daraus, was an männlichen Reaktionen darauf kommt -bis hin zu Vergewaltigungsund Todesdrohungen -, zeigt sich, dass er wichtig ist.

Hamann: Ich würde mir oft wünschen, dass wir ins reale Leben zurückkehren und von Mensch zu Mensch sprechen, statt alles auf Social Media abzuhandeln. Die Dynamiken dort sind so verlockend, dass man schnell in die falsche Richtung läuft und einander missversteht. Es sind zutiefst menschliche Fragen, die wir da verhandeln. Die werden wir nicht auf Twitter abhandeln können.

DIE FURCHE: Was sind inhaltlich die großen Veränderungen von der Frauenbewegung der 1970er-Jahre bis zur Generation Metoo? Hamann: Wir reden heute schon mehr über symbolische Fragen als am Anfang. Die Diskussion über Sprache ist ja zum Beispiel etwas relativ Neues. Die wesentlichen Fragen wie etwa gleichberechtigte Elternschaft oder Arbeit haben sich aber nicht geändert. Und gerade jetzt, im Zeitalter von Flexibilisierung und Änderung der Arbeitszeiten, sind das entscheidende Fragen des Zusammenlebens.

DIE FURCHE: In der ersten Oktoberwoche kann man das Frauen-Volksbegehren unterschreiben. Manche kritisierten, dass enthaltene Forderungen wie die generelle 30-Stunden-Woche zumindest auf den ersten Blick nicht viel mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben.

Schöndorfer: Erstens glaube ich, es braucht immer Utopien. Dass eine 30-Stunden-Woche tatsächlich umgesetzt wird, ist gerade jetzt in sehr weite Ferne gerückt. Warum das aber eine Geschlechterfrage ist: Pauschal gesagt, arbeiten Männer derzeit 40 Stunden und Frauen 20. Wenn beide 30 Stunden arbeiten würden, wäre die Verteilung der Arbeit gerechter. Und bei 30/30 ist die Frau besser abgesichert als bei 40/20.

DIE FURCHE: Hintergrund ist auch, dass Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit machen: Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege. Die könnte sich, so die Idee, dann ebenso gleichmäßiger verteilen, wie die Einkommen.

Hamann: Ich finde, das Charmante an der 30-Stunden-Idee ist, dass sie auch Männer ein bisschen aus der fixen Vorstellung löst, sich hauptsächlich über den Beruf zu definieren. Ich glaube, jeder Mensch sollte im Laufe seines Lebens sowohl erfahren, wie es ist, Geld zu verdienen, als auch, wie es ist, sich um andere Menschen zu kümmern. Das ist für jede Persönlichkeitsentwicklung gut. Es wäre auch für unsere Politik gut, wenn wir dort ausschließlich Menschen hätten, die in beiden Bereichen Erfahrungen gemacht haben. Als utopisches Element, um Menschen aus dieser einseitigen Fokussierung auf den Beruf herauszuholen, die ja doch oft nur zu Frustration und Burn-out führt, finde ich die Idee schön. Und sie hat einen starken geschlechterpolitischen Aspekt.

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