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Aus unterschiedlichen Beweggründen werden heutzutage Wettbewerbe, Preiskrönungen oder sogenannte Rankings veranstaltet. Letzteres sind Listen bei denen es nur um die Ehre geht an möglichst vorderster Stelle zu stehen. Wer hält also den Welt- oder Nationalrekord an Umsatz, Export, Gewinn oder Produktion, wer hat die meisten, die freundlichsten, die tüchtigsten Mitarbeiter ? Hauben, Sterne und sonstige Symbole winken.

Alles läßt sich zahlenmäßig oder durch Jury-Punkte vergleichen und bewerten. Arbeitnehmerfreundliche Organisationen bewerten auch Gesundheit, Familienfreundlichkeit oder Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betrieben. Mich indessen interessiert die Frage : Welches ist das sozialste Unternehmen ?

Mein Tip lautet: die Filmindustrie. Bedenkt man dabei, daß einerseits kaum ein Kunstzweig für erfolglose Produkte so viel Geld verschlingt wie der Film - und andererseits auf dem Sektor der Erfolge der kapitalistische Dschungel herrscht, so bedarf mein Hinweis schon einiger Erklärung. Denn daß die prominentesten Regisseure und Schauspieler in prunkvollen Gala-Veranstaltungen allerlei goldene Tiere und andere Souvenirs erhalten und sich im Scheinwerferlicht ausgiebig küssen dürfen,wäre ja noch kein soziales Kriterium. Und daß manches monströse Leinwand-Opus viele Millionen für den Produzenten "einspielt" kann auch nicht gerade als sozial gelten. Dennoch bleibe ich bei meiner Behauptung.

Ich stelle fest, daß kein anderes Unternehmen die Leistung seiner Mitarbeiter bis zum letzten Kabelträger so namentlich ehrt und herausstellt wie der Film. Das Publikum mag sich nach Nennung der wichtigsten Stars im Vorspann noch so langweilen und auf den Beginn der Handlung warten, es mag den endlosen Namensfriedhof des Nachspanns nicht lesen während schon das Licht aufgedreht wird, die Stühle klappern und die Titelmelodie noch einmal gewaltig aufrauscht. Selbst wenn der Film im Fernsehen läuft ist der Nachspann nichts als die einzige Möglichkeit vor Beginn des nächsten Programms mit seinen Familienmitgliedern rasch ein paar Worte zu wechseln. Was also veranlaßt eine auf Gewinn und Quote bedachte Branche zu solch enormen Listen?

Wenn es bloß die Namen von Sponsoren oder unterstützenden Institutionen wären, so wäre das ja verständlich. Aber da erscheinen bis zu Casting, Script, MAZ und Effects Begriffe, die dem Nicht-Cineasten völlig unverständlich sind. Die Namen der Mitarbeiter nehmen kein Ende und sie ziehen schließlich auch so rasch vorbei, daß sie ohnehin keiner lesen kann der sie lesen wollte. Auch der Laie weiß längst, daß ein Film viel Arbeit ist und mehr Leute hinter als vor der Kamera beschäftigt. Und daß ein Film letzten Endes so gut ist wie das Teamwork aller Beteiligten. Sie werden dafür ja auch entlohnt.

Aber das ist dabei eben das Soziale, das Sozialste aller Branchen: daß da keiner namenlos bleibt - und zwar zwingend mit jeder Vorstellung verbunden. Auf dem Theaterprogramm stehen bekanntlich auch alle Namen bis zur letzten Garderoberin, aber wen das nicht interessiert, der muß ja kein Programm kaufen. Beim Vor- und Nachspann des Films kann man nur wegschauen, die Namen bleiben werkimmanent. Stellen Sie sich ein Textilgeschäft vor in dem Ihnen die Namen sämtlicher Verkäuferinnen, Dekorateure, Zuschneider und Raumpflegerinnen präsentiert werden! Stellen Sie sich das Impressum einer Zeiturg vor mit den Namen aller Setzer, Drucker, Fotografen, Kolporteure und Buchhalter! Stellen Sie sich ein Bauunternehmen mit einer Liste aller Maurer, Zimmerer, Zeichner und Portiere vor! Unvorstellbar, unüblich!

Vielleicht ist das ungerecht, weil eigentlich jeder Mensch, der zum Gelingen einer Leistung beiträgt, nicht als anonymes Rädchen im Getriebe untergehen sollte. Und darum halte ich den Film für das sozialste Unternehmen. Ob es der Konsument der Leistung wissen will oder nicht, der Name des Mitarbeiters erscheint, wenn auch in abnehmender Schriftgröße gegenüber den Stars.

Ich bin im Kinosaal der letzte der hinausgeht. Mich überfällt bei diesen vielen Namen, die ich nicht kenne, etwas wie Ehrfurcht. Ich male mir aus, wie sich der Friseur des Filmhelden freut, seinen Namen zuletzt auf der Leinwand zu sehen.

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