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JUNGFILMER — AUS ÖSTERREICH

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Seit einigen Monaten regen sich auch in österrich mit einer gewissen Beharrlichkeit junge Filmschöpfer in der Öffentlichkeit. Sie treten teils einzeln, teils in Gruppen in Erscheinung und versuchen auf ihre Weise, die landläufige Meinung von der Nichtexistenz des zeitgenössischen österreichischen Films zu widerlegen. Ihr Idealismus, unleugbar und erfreulich, steht dabei oft noch im Gegensatz zur künstlerisch-technischen Potenz. Eine Feststellung, welche die überaus erfreulichen Testversuche und Regungen des österreichischen Filmnachwuchses keineswegs herabsetzen, sondern nur unter die richtigen Maßstäbe bringen soll. Denn es wäre wahrlich verfrüht, angesichts dieser mehr oder minder hoffnungsvollen Etüden — handelt es sich doch zumeist um Kurz- und Experimentalfilme — schon ein Abklingen der österreichischen Filmkrise diagnostizieren zu wollen.

Aber allein schon die Tatsache, daß junge Kameraleute, Regisseure, aber auch filmfremde Mäzene hergehen, um unter persönlichen Entbehrungen, abgesehen von ihrer Arbeit, Summen, die an hunderttausend Schilling heranreichen, in Unterfangen zu investieren, deren ideeller Erfolg, vom merkantilen ganz zu schweigen, recht fraglich ist, ist wenigstens hierzulande überaus neu und erfreulich. Was junge Filmschaffende in den westlichen und östlichen Nachbarländern schon seit Jahren mit beachtlichem Widerhall betrieben haben, setzt sich nun auch langsam in Österreich durch. Und noch ein zweiter Faktor gesellt sich dazu: die Öffentlichkeit nimmt davon Notiz. Mehrere Veranstaltungen in Wien, teils von Studentenorganisationen oder von Filmklubs — der Verband österreichischer Filmjournalisten mit eingeschlossen —, aber auch in einzelnen Bundesländern waren bisher stets gefüllt und entfachten meist ganz angeregte Diskussionen. Interessant, daß dabei durchaus nicht nur die Vertreter der älteren Generation, also die mitleidig belächelten Verehrer von „Opas Kino“, sondern auch Burschen und Mädchen, kaum über zwanzig, den gezeigten Beispielen sowohl thematisch wie auch in der technischen Durchführung zuweilen ziemlich kritisch und skeptisch entgegentraten. Schwimmen doch die meisten Sujets dieser Kurzfilme — sie dauern oft beinahe eine halbe Stunde — im Fahrwasser der aus dem Theater und der Literatur entlehnten Absurdität, Verfremdung und des Makabren. Die Aussage dieser Kurzfilme — sofern überhaupt eine vorhanden ist und es sich nicht nur um reine photographische und schnittmäßige Experimente handelt — zeigt meist die typischen Merkmale tastender Verworrenheit. Romantische Sehnsüchte mischen sich mit ins Skurrile gesteigerten Zeitumständen, und der Beschauer hat es häufig nicht leicht, den sprunghaften Gedankengängen und der nach gleichem Rezept verfahrenden Schnittechnik der jungen Gestalter zu folgen.

Ein Positives aber ist der großen Mehrzahl dieser zumeist ehrlichen filmischen Bemühungen dieses österreichischen Nachwuchs zu eigen: Sie alle wollen gegen eine verwaschene Oberflächlichkeit bei der Betrachtung von Menschen, Erlebnissen und Dingen Front machen und sind um eine filmische Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihren Problemen bemüht. Eigenschaften, die man — von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen — bei der Mehrzahl der filmischen Nachkriegsprodukte Österreichs, sofern sie nicht in die Sphäre des Dokumentarischen hineinreichten, kaum feststellen konnte. Das gilt zum Beispiel ebenso für die sozialkritische Studie „Der Makler" des jungen Franz Fallenberg, der sich als Kameraassistent bei der Bavaria in München die ersten Kenntnisse aneignete, ebenso wie für den realistischen Zynismus und düsteren Humor, den der 26jährige Walter Bannert und sein 23jähriger Kamerakollege Herbert Link ihrem Streifen „Johannes Maria Walddorf" injizierten. Gerade die beiden letztgenannten jungen Leute sind symptomatisch für die eine Richtung, aus der sich der österreichische Filmnachwuchs rekrutiert. Über mehrjährige Praxis des Kameraassistenten bei Werbe- und Trickfilmen haben sich die beiden aus ehrlicher Begeisterung — der eine war Elektrotechniker, der andere Mechaniker — an den eigenen Erstlingsfilm herangearbeitet. Ihr Ziel: unter Nutzung des eigenen handwerklichen Könnens eine Gruppe von Spezialisten mit neuen Ideen zu einer Gemeinschaftsarbeit zusammenzuschweißen. Sie fühlen sich gleichsam als die Praktiker, die auch um die materiellen Bedingungen der .Entstehung eines Filmes wissen.

Zusammen mit ambitionierten Studenten der Theaterwissenschaft — ihr führender Kopf ist der junge Harald Ebert — sind sie letztlich alle darum bemüht, sich durch neuartige und extravagante Einfälle wirkliche Aufträge für Werbespots oder Industriefilme zu gewinnen, deren Erlös ihnen die Möglichkeit zur Gestaltung weiterer experimenteller Kurzfilme geben soll. Wobei natürlich die Beschäftigung beim Fernsehen in ihren Gedanken und Spekulationen eine entscheidende Rolle spielt. Schließlich ist die Gruppe der nun schon arrivierten Jungfilmer — Film in Österreich — mit Persönlichkeiten wie dem Schauspielerregisseur Georg Lhotzky nebst seinen Freunden Lodinsky und Odelke ja auch durch Werbespots und Dokumentarfilme via Fernsehen bekannt geworden. Ja, selbst die Einzelgänger wie Ferry Radax (ausgezeichneter 16-mm-Film über den Maler Hundertwasser) oder Claudio Schreiber (Regieassistent und Aufnahmeleiter) mit seinem märchenhaften Kurzfilm „Der Schirm mit den Blumen" und Rainer Artenfels (Schauspieler und Thea- terregisseur) mit dem Beitrag „Die Margarite", wurden in Studioaufführungen des Massenmediums Fernsehen vorgestellt.

In dieser Konfrontierung der Öffentlichkeit mit den thema-

Jedenfalls hat die in jüngster Zeit offenbar gewordene junger Filmgestalter, die im normalen kommerziellen Kinobetrieb nur schwer mit einer Aufführung und Auswertung ihrer filmischen Experimente, rechnen können, liegt eine echte Aufgabe dieses Massenmediums. Mehrfach ist seine Mission in diesem Zusammenhang. Zunächst erhalten die jungen Leute, die ihre Filme überwiegend aus eigenen Mitteln finanzieren, ein gewisses wirtschaftliches Äquivalent für ihren optischen Mut; sie bekommen ferner Gelegenheit, ihre Absichten zur Diskussion zu stellen, über Kinomatineen hinaus; dilettantische Angeber lassen sich von echten Begabungen sondern, und überdies werden die Zuschauer allmählich mit einem neuen Vokabular filmischer Gestaltung bekannt gemacht, das ihnen bisher fremd war und dem sie mißtrauisch gegenüberstanden.

Jedenfalls hat die in jüngster Zeit offenbar gewordene Gärung im Schaffen österreichischen Filmnachwuchses die Hoffnung auf keimen lassen, daß darunter einige begabte und begeisterungsfähige Kräfte vorhanden sind, die vielleicht berufen sind, auch dem österreichischen Spielfilm einmal neue Impulse zu geben.

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