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Kirche bietet keine Rezepte

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Katholiken gibt es in verschiedenen Parteien, soll es in verschiedenen Parteien geben. Sie werden sich und ihre Partei vor allem durch sachliche Arbeit und weniger durch Appelle an religiöse Überzeugungen empfehlen. Withalm: „Es ist heute Sache aller Politiker, den Katholiken zu beweisen, daß die Politiker auf Grund ihres persönlichen Lebens, ihrer gesamten Politik und all ihrer politischen Handlungen und Entscheidungen, der ihrer Politik zugrunde liegenden Weltanschauungen und dem sich daraus ergebenden Menschenbild für die Katholiken wählbar sind.“

Man kann die Katholiken nicht auf bestimmte wirtschaftliche oder politische Lösungen verpflichten. Man kann als Christ in verschiedenen Fragen sehr verschiedener Meinung sein. Die Kirche bietet keine Rezepte.

Withalm: „Die Kirche hat durch ihre hervorragenden Sprecher immer unedler betont, daß sie das Wort Gottes allen Menschen verkündet, und daß sie nicht in der Lage ist, aus den Evangelien und den Glaubenssätzen politische Lösungsvorschläge anzubieten und diese mit der Autorität des Lehramtes zu vertreten.“

Die Kirche ist für alle Menschen zuständig. Sie wird das Gespräch mit jenen, die ihr immer zur Seite standen, nicht vernachlässigen, sie wird sich aber von niemandem verbieten lassen, mit Marxisten, Sozialisten, Liberalen, Nationalen zu reden, so wie sie mit Atheisten, Agnostikern, Orthodoxen und Protestanten spricht. Das Gespräch mit den Sozialisten hat in Wahrheit in Österreich noch nicht einmal begonnen. Es muß ein Gespräch in Offenheit und Ehrlichkeit sein, nicht ein Wahlgespräch. Es geht auch nicht primär um kirchenpolitische Forderungen, sondern darum, den verschütteten Zugang zu Glaube und Kirche wieder freizumachen. Withalm: „Daß nach so vielen Jahren kulturpolitischen Kampfes und kulturpolitischer Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie jetzt ein Weg des Gespräches gefunden wurde, muß jeden Katholiken über alle parteipolitischen Überlegungen hinweg mit Genugtuung erfüllen, ist doch damit ein Beitrag für den inneren Frieden in Österreich und eine größere Wirkungsmöglichkeit der Kirche ermöglicht.“

Es ist nicht sehr sinnvoll, die rhetorische Behauptung, der Papst sei ein guter Sozialist, mit einer Diskussion „Der Papst ist nicht Marxist geworden“ zu beantworten. Wenn man sich schon einig darüber ist, die Kirche in Österreich aus dem Spiel zu lassen, dann sollte man den Papst erst recht nicht hineinziehen. Die Absage an den politischen Kaholizismus gilt nach allen Seiten. Withalm: „Es ist zu hoffen, daß dieses Gespräch für die Sozialisten mehr als ein parteitaktisches Manöver ist, und daß nicht ein neuer politischer Katholizismus jetzt mit umgekehrten Vorzeichen sich in Österreich etabliert.“

Mit anderen Worten hat dies schon Kurt Skalnik bei einer Besprechung eines Buches von Günther Nenning in der „Furche“ gesagt. Gerade die Katholiken, die dafür eingetreten sind, daß das Kreuz nicht von der Fahne einer Partei usurpiert wird, würden sich mit aller Deutlichkeit dagegen wenden, wenn nun eine andere Partei das Kreuz als nützlichen Schmuck auf ihren Fahnen entdecken sollte. Das Kreuz soll über uns allen stehen, nicht als Zeichen der Macht, sondern als Zeichen der Besinnung, der Einkehr, der Gnade und der Erlösung. Wer sich diesem Kreuz zugehörig fühlt, soll es durch Taten und nicht bloß durch Worte beweisen, das Kreuz nicht auf der Fahne, sondern im Herzen tragen.

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