Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Mensch und Offenbarung
Je weiter die Säkularisierung fortschreitet, um so entschiedener werden wir von den Gegnern der Religionen auf die vermeintlich unübersteigbare Kluft zwischen Glauben und Denken, Religion und Wissenschaft hingewiesen. Man zwingt uns gleichsam zu dem Entweder-Oder der „intellektuellen Ehrlichkeit“, daß wir nichts verständlich akzeptieren sollen, was nicht bewiesen ist, das heißt, daß das mit den Sinnen und dem Verstand Erfaßbare und der daraus resultierende materielle Positivismus nichts zu schaffen haben i mit der Welt des Christentums.
In einer solchen Situation, die von vielen ehrlich Suchenden als rin hartes - Dilemma empfunden wird, gibt uns die Schrift „Mensch und Offenbarung“, Kritisches Denken und christlicher Glaube, von P. Dr. Wilhelm K ö s t e r SJ. in der Reihe „Entscheidung “(Butzon & Berker, Kevelaer) eine wertvolle Wegweisung. Ohne sich um die erwähnte Pression „Entweder Glauben oder Denken/“ zu kümmern, macht der Autor uns ganz im Gegenteil mit dem überraschenden Ergebnis seiner Untersuchung bekannt: Daß gerade das Denken die große Voraus- j Setzung für den Glauben, das heißt: für , unser Offensein gegenüber der Offen- ‘ barung ist. ,
Die Grundfrage lautet: Ist der Mensch , “überhaupt -į’.šff’fėtil“ für -OffenbaruSiį’i’Es ‘ ti/aVe ia denkbar. daß er vollständig ver schlossen sei, als gewissermaßen blinder Produzent seines Ich und Kritiker alles dessen, was außer ihm ist In diesem Fall gäbe es keine Mitteilung Gottes an ihn. Er könnte wohl fortsetzen, aus sich heraus zu produzieren, was wir :m allgemeinen „menschliche Kultur" nennen, aber keine transzendente Mitteilung empfangen, für die ein „inneres Erlebnis" nicht zur Verfügung steht. P. Köster charakterisiert diese Situation. Sie würde eintreten, wenr • der Mensch wirklich kein Organ füi Offenbarung besäße. „Es geht hier nich darum, ob die Menschheit tatsächlicl eine Offenbarung erhalten hat. Hier is nur die Rede von der Offenheit dei Menschen für sie und in diesem Sinn vor Möglichkeit der Offenba- r u n g. Wenn sich zeigen läßt, daß wir ah Menschen für Offenbarung empfänglicl sind, so ist das nur ein erster Schritt zui Grundlegung des christlichen Glaubens noch nicht dessen volle Rechtfertigung; dem Unglauben nimmt es seine Selbstsicherheit. Sollte aber schon der Gedanke einer Offenbarung ungereimt sein sollte der Mensch gar kein Organ haben
Offenbarung anzunehmen, so könnte kein Mensch es vor seinem intellektuellen Gewissen verantworten, ein gläubiger Christ zu sein.“
Im Lauf der Untersuchung ergibt sich die prinzipielle Fähigkeit des Menschen zur Offenbarung: Der Autor kann nach- weisen, daß Denken das typisch Menschliche ist, wodurch die Voraussetzung für den Glauben an die Offenbarung gegeben ist. Es findet sich vor der Untersuchung ein Satz in dieser Schrift, der ihr völlig
Neues darzustellen scheint und in verblüffender Weise das Dilemma der intellektuellen Ehrlichkeit auf den Kopf stellt. Dieser Satz lautet -- auf das positive Ergebnis hin gerichtet: „Nicht das Sagen seiner selbst ist dann sein Größtes (des Menschen), sondern das Nachsagen von Offenbarung."
Hier werden auf kleinem Raum kühnste Gedanken ventiliert. Solches bleibt dem Leser unvergeßlich.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!