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Johannes XXIIL: der „Bauernpapst”

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Für Österreich dürfen wir mit Genugtuung feststellen, daß zahlreiche, ja man darf sagen die meisten der Maßnahmen, die der Heilige Vater zur geistigen und wirtschaftlichen Sanierung der bäuerlichen Welt mit seiner Sozialenzyklika fordert, in der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes und in den Bestimmungen des „Grünen Planes” — nach dem die für die Agrarförderung vorhandenen Mittel entsprechenden Zwecken zugeführt werden — zum Teil fast wortgetreu enthalten sind. Es geht hier nicht um „Subventionen als Geschenke an die Landwirtschaft”, wie vielfach von agrarfeindlicher Seite behauptet wird. Es geht vielmehr um die selbstverständliche Hilfeleistung der Öffentlichkeit zur weiteren Aktivierung der Selbsthilfe der Landwirtschaft. Güterwegebau, Elektrifizierung, Forstaufschließung, Ausbau des Schulungs-, Kurs- und Beratungswesens, Umstel- lungs- und Strukturverbesserungsmaßnahmen großen Umfanges, wie sie wohl in der Sozialenzyklika als auch im „Grünen Plan” gefordert werden, stellen Vorhaben dar, deren Finanzierung unmöglich der Landwirtschaft allein zugemutet werden kann; ebensowenig wie man es dem Städter zumutet, füi die Elektrifizierung, die Straßenverbesserung, den Schulbau, die Schulerhaltung usw. in seinem Stadtteil selbst und allein aufzukommen.

Staatsbürgerliche Gleichberechtigung für die Bauern!

Gerade jene Kreise aber, die an meisten gegen den angeblich herrschenden und weiter angestrebter „Agrarprotektionismus” zu Feld ziehen, die ausgerechnet in den relatn sehr bescheidenen Summen, die di Landwirtschaft zur Intensivierung de; Maßnahmen des „Grünen Planes” ver langt, eine Bedrohung des Staatshaus haltes und der Währung erblicken fordern von der österreichische) Bauernschaft am eindringlichsten ein sofortige Umstellung und Rationali sierung als angeblich einziges Mitte zur Behebung aller Schwierigkeiten Wie sich allerdings ein Betrieb rascl und wirksam umstellen soll, dem nich nur der elektrische Strom für die Arbeitserleichterung, sondern auch jeglicher Zufahrtsweg und damit die Verbindung zum Markt fehlt, dafür wissen wohl auch sie kaum einen Rat. Hier kann und muß auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes und des „Grünen Planes” der Staat in Erscheinung treten und auch den Bauern das Recht auf staatsbürgerliche Gleichberechtigung garantieren. Es geht hier in weiterer Sicht ja um Maßnahmen, die der Sicherung unserer wirtschaftlichen und soziologischen Zukunft dienen und uns auf den verschärften Konkurrenzkampf vorbereiten müssen, zu dem man allenthalben in unseren Nachbarstaaten — auch in der Landwirtschaft — rüstet. Und eines sei nicht vergessen: Unabhängigkeit und Neutralität unseres Staates wären in dem Moment verloren und sinnlos, in dem im Ernstfall in Ermangelung einer eigenen leistungsfähigen Landwirtschaft unserem Volke nur die Alternative zwischen Hungertod oder Parteinahme (für den eventuellen Lebensmittellieferanten) bliebe.

Man kann der österreichischen Bauernschaft ihre Unzufriedenheit nicht verargen. Nach jahrelangem Ringen hat sie sich das Landwirtschaftsgesetz erkämpft und hatte auf Grund dieses Gesetzes im vergangenen Herbst erstmalig Gelegenheit, Regierung und Parlament auf die mit einwandfreien wissenschaftlichen Statistiken bewiesene Disparität hinzuweisen, die zwischen dem Einkommen und dem Lebensstandard der übrigen Bevölkerung und jenem der Landwirtschaft besteht. Und das bei einer Arbeitsleistung der Bauern, die keine 45-Stun- den-Woche und keine Fünftagewoche kennt. Wo aber bleiben die nachhaltigen Maßnahmen zur Behebung dieser Situation? Das Argument, daß die Landwirtschaft eben zu wenig rationell arbeit, verliert sehr an Bedeutung und Glaubwürdigkeit, wenn man folgende Indexzahlen vergleicht, die dem letzten Monatsbericht des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung entnommen sind und, verglichen mit 1938 (=100), den gegenwärtigen Stand des Lohn- und Preisniveaus angeben. Es zeigt sich da folgendes bemerkenswerte Bild:

Industriestoffe 1096

Baukosten 1136

Arbeiter-Nettowochenverdienst 1033 Nahrungs- und Genußmittel 798

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