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SPD im Wandel

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Der Wandel der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die Abkehr von der Klassenkampfpartei und die Hinwendung zur Volkspartei, ist heute für den Beobachter der politischen Vorgänge unbestritten. Die Partei hat das 19. Jahrhundert programmatisch bewältigt. Sie ist dabei, sich ein neues Profil zu geben. Freilich ist der Prozeß noch nicht abgeschlossen, der größtenteils ein Generationsproblem ist. Die Diskussion mit dem linken Flügel, heute noch Kriterium der um ein neues Selbstverständnis ringenden Partei, wird eines Tages von selbst verstummen. Die Marxisten und bewußten Antichristen werden entweder im Sog zur Mitte hin ent-ideologisiert oder sie spalten sich ab, wie das heute schon geschieht. In keinem Programmpunkt wird der Wandel der SPD deutlicher sichtbar als in der Haltung zu Religion und den christlichen Kirchen. Während im Erfurter Programm von 1891 die Religion noch mit deutlicher politischer Spitze als „Privatsache“ abgetan worden war, wurde sie 34 Jahre später — 1925 in Heidelberg — bereits zur „Sache innerer Überzeugung“ erklärt. .Die politische Spitze war damit abgebaut. Kurt Schumacher, erster Vorsitzender der SPD nach dem zweiten Weltkrieg, ging 1945 wieder einen Schritt weiter: „Der einzelne weiterblickende Sozialist wird die Unverzichtbarkeit der Religion nicht leugnen können.“ Carlo Schmid 1958 in der Münchner Katholischen Akademie: „Die SPD steht für jeden ein, der das Christentum ernst nimmt, und sie ist gewillt, im öffentlichen Leben den Anliegen der Kirchen die Bedeutung einzuräumen, die ihnen zukommt, und ihnen alles zu geben, was sie brauchen, um das Wort Gottes lauter und rein verkünden zu können.“ Das Godesberger Programm von 1959 im Urteil des Katholiken Dirks: „Der Abbau der alten anstößigen Programmpunkte ist fortgesetzt worden. Sowohl in der allgemeinen Diskussion als vor allem auch in der Stellungnahme des unbefangensten und unbestechlichsten katholischen Sprechers, des Jesuiten Oswald von Nell-Breuning, ist das anerkannt worden. Freidenkertum, religionsfeindlicher Marxismus und eigentumsfeindlicher Sozialismus können nicht mehr als Begründungen einer katholischen Ablehnung der Sozialdemokratie herangezogen werden.“

Die Traditionslast eines Jahrhunderts

Trotz dieser Entwicklung ist das Verhältnis zwischen Katholizismus und Sozialdemokratie in der Bundesrepublik keineswegs entspannt. Noch steht die Traditionslast eines Jahrhunderts dieser Entspannung im Wege. Anderseits beginnt in katholischen Kreisen ein Unbehagen über das enge Bündnis mit einer Partei aufzuleben und versucht die Sozialdemokratie das Godesberger Programm langsam zu praktizieren — wie das zwischen der niedersächsischen SPD-Regierung und dem Heiligen Stuhl abgeschlossene Konkordat beweist, das die deutschen Bischöfe aus ihrer Zurückhaltung löste und erstmals zu wohlwollenden Kommentaren veranlaßte.

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