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Die grassierende allgemeine Unsicherheit wird verschärft durch einen bislang nicht gekannten Verlust an Vertrauen in Instanzen und Institutionen aller Art. Die Antwort auf diese Erosion können die Bürger nur selbst geben.

Womit beginnen? In diesen Tagen, da alles mit allem irgendwie zusammenzuhängen scheint - von Strasser über ÖVP, Grüne, Baden-Württemberg bis Fukushima, aber auch von Euro-Rettungsschirm bis Libyen, oder von … bis …? Gewiss, irgendwie war das immer schon so. Wie es ja auch immer schon so etwas wie "Globalisierung“ gegeben hat - entsprechend dem, was man zur jeweiligen Zeit vom Globus wusste oder dafür hielt, und - vor allem - entsprechend den jeweiligen technologischen Möglichkeiten. Aber mit der sprunghaften, nachgerade explosionsartigen Zunahme dieser Möglichkeiten hat sich eine atemberaubende Dynamik entwickelt, die nicht nur quantitative Erweiterung, sondern qualitativ Neues bewirkte.

Abwägung Chancen vs. Risken

Das bedeutete ungeahnte Chancen, rasanten Zuwachs an Potenzialen, faszinierende Grenzenlosigkeit in vielfacher Hinsicht. Die Kehrseite ist die erhöhte Krisenanfälligkeit dessen, was wir in kulturkritischen bis -pessimistischen Anwandlungen gerne als "das System“ bezeichnen, letztlich aber nichts anderes meint als unsere Art zu leben. Letztlich geht es, individuell wie kollektiv, immer um eine Abwägung von Chancen und Risken, von möglichen Gewinnen und drohenden Verlusten (an Geld, Glück, Lust, Lebensqualität …). Wobei wir das Mögliche, Erhoffte tendenziell stärker gewichten als das Drohende, Befürchtete: Meist überdenken wir unsere Lebensgewohnheiten erst, wenn wir wirklich krank sind, nicht weil wir theoretisch wissen, dass wir krank werden könnten. Das gilt grosso modo auch für die große Krise, in der wir stecken und die sich aus einer Vielzahl an Einzelkrisen, die uns täglich um die Ohren fliegen und die wir längst nicht mehr überblicken, zusammensetzt.

Bestimmend ist das Gefühl eines gewaltigen Umbruchs auf allen Ebenen. Wir glauben zu spüren, dass vieles Überkommene an seine Grenzen gestoßen ist, gänzlich Neues im Begriff ist, sich Bahn zu brechen. Das erzeugt Unsicherheit, zumal aufgrund der genannten Dynamik der Eindruck entsteht, wir seien wohl Zeugen, aber nicht Subjekte dieser Entwicklungen. Daran haben die Medien einen nicht unwesentlichen Anteil. "Die Linke liebt die Misere“, schrieb der deutsche Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz schon vor anderthalb Jahren. Die Medien, mehrheitlich einem linksliberalen Mainstream folgend, spiegeln das wider. So entsteht jene Negativspirale, die uns immer weiter hinunterzuziehen droht. Wer dagegen hält, muss sich schnell den Vorwurf gefallen lassen, hoffnungslos naiv oder, schlimmer noch, Sprachrohr der Herrschenden, Apologet des "Systems“ zu sein. In Zeiten der Angst haben Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur.

Unaufgeregtheit und ein klarer Kopf tun Not - oder wie es Robert Pfaller (s. Seite 9) ausdrückt: "Wenn Menschen in Paniken geraten, dann ist es die Aufgabe der Philosophie Besonnenheit wiederherzustellen.“ Andererseits gilt natürlich auch, frei nach Woody Allen: "Dass Du paranoid bist, heißt ja nicht, dass sie nicht wirklich hinter Dir her sind.“ Wer vermöchte schon fröhlich zu rufen: "Kein Grund zur Sorge!“? Den gibt in besonderer Weise ein bislang ungekannter Verlust an Vertrauen in Instanzen und Institutionen aller Art. Er ist gleichermaßen Quelle wie Ausfluss der allgemeinen Befindlichkeit. Diese Erosion ist es auch, die unsere jetzige von früheren Umbruchszeiten wesentlich unterscheidet.

Politik als res publica

Da und dort blitzen Hoffnungsträger auf, denen sich die Menschen dankbar und (allzu) bereitwillig zuwenden: einzelne Personen wie Guttenberg - oder auch, eben jetzt wieder einmal, die Grünen. Aber nicht nur bei Strahlemännern folgt die Enttäuschung oft auf dem Fuß; auch und gerade die deutschen Grünen wissen um die "Mühen der Ebenen“, darum, wie wenig glanzvoll das politische Geschäft ist, wie schnell Macht verbraucht. Womit schließen? Mit der notwendigen Einsicht, dass es mehr und mehr auf uns selbst, auf jeden Einzelnen ankommen wird, dass Politik im Wortsinn eine res publica, eine öffentliche Angelegenheit ist.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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