6757401-1968_01_05.jpg
Digital In Arbeit

IM SPIEGEL DER PRESSE

Werbung
Werbung
Werbung

In der Gesellschaft von heule sind die Gewerkschaften zu einem wichtigen, ja zu einem unentbehrlichen Ordnungsfaktor geworden. Diese Rolle der Gewerkschaften hatte offensichtlich das II. Vatikanische Konzil voi Augen, wenn es bei seinen Ausführungen über die Bedeutung dei Gewerkschaft das Recht auf Koali- fions- und Organisationsfreiheif neuerlich unterstreicht, die Interessenvertretung durch die Gewerkschaft betont und außerdem — was besondere Beachtung verdient — ihre Mitwirkung an der Gestaltung des Wirtschaftslebens hervorhebt... Wenn dei Gegensatz der wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu kämpferischen Auseinandersetzungen führt, so müssen alle Anstrengungen gemacht werden — so sagt das Konzil —, eine friedliche Lösung zu finden. Trotzdem kann nach Auffassung des Konzil; auch unter den heutigen Verhältnissen der Streik — allerdings nur al: letzter Ausweg — unvermeidbar sein um Rechte der Arbeiter zu verteidigen oder um gerechte Forderunger durchzusetzen. Es sollte dann abei alles darangesefzt werden, so schnei wie möglich den Weg rur Wiederaufnahme der Verhandlungen zu finder und gemeinsame Oberlegungen zt einer Verständigung anzusfellen.

(Kardinal Or. König! „Bereit um Gespräch'

Im Klerus breitet sich zwar langsam, aber doch die Erkenntnis aus, daß seine Funktionen aus den historischen Entwicklungen herausgeschält werden müssen, die ihn zu einem jahrhundertelang privilegierten Stand gemacht haben. Diese Privilegien haben gleichzeitig eine abgesonderte Klasse geschaffen. Leuchtend isf das Beispiel des Kardinals von Montreal, Läger, der mit Billigung des Papstes sein Amt niedergelegt hat, um Seel sorger einer Lepra-Kolonie im Kongo zu werden. Natürlich ist das ein Einzelfall; aber er ist bezeichnend. Es ist die Entäußerung von Machtformen, so wie ja das Papsttum sichtbar die Kirche auf den einen Weg geführt hat, der ihr die Möglichkeit gegeben hat, den Mächten dieser Welt zu entrinnen; sich selbst der Macbfansprüche zu entledigen.

(Karl Hein Rifschel)

Schon ein flüchtiger Rückblick auf die fast zweitausendjährige Kirchengeschichte zeigt, dal) es in Wirklichkeit niemals Zeiten ohne Auseinandersetzungen gegeben hat. Wo Leben ist, dort wird es notwendigerweise Reibungen geben. Wo eine Entwicklung vorangetrieben werden soll, muh sie durchgesetzt werden. Das war in den Tagen des Petrus und Paulus nicht viel anders als heute. Das isf nichts Neues. Das war ja der grof)e Irrtum im Zeitalter der „monolithisch" empfundenen Kirche, dal) man glaubte, die verschiedenen Meinungen auf eine einzige „offizielle Meinung" zurechfstutzen zu können. In Wirklichkeif brodelten dann die Spannungen unterschwellig um so intensiver weiter. „Wir Christen werden und sollen in vielem verschiedener Meinung sein", sagte Rahner schon beim Katholikentag 1962. „Wir sollen verschiedene Tendenzen haben, es braucht nicht jedes für jeden zu passen. Liebe, die auf Uniformität aufbauen würde, wäre leicht. In der Kirche soll aber der Geist einer Liebe herrschen, die die vielen verschiedenen Gaben zu einer Einheit bindet, der Liebe, die den anderen auch noch annimmt und gelten läl)t, wo man ihn nicht mehr versteht."

(Fritz Csoklich: „Di unvermeidlich Unruhe')

Im Wiener Rathaus mehren sich die Anzeichen für einsetzendes Tauwet- fer. Diese — angesichts des hereinbrechenden Hochwinters — vielleicht etwas frappierende Feststellung ist vielleicht die wesentlichste Erkenntnis, wenn man zum Jahresende eine Bilanz der Wiener Kommunalpolitik zieht. Das kennzeichnendste äußerliche Merkmal ist die knapp vor den Feiertagen beschlossene „Wiener Wohnreform", mit welcher das Steuer der bisherigen städtischen Wohnungspolitik herumgeworfen wurde. Die neue Kursrichtung zeigt auf eine moderne Wohnbaupolitik, wie sie schon in zahlreichen Städten Österreichs und des europäischen Auslandes seit Jahren mit jedenfalls größerem Erfolg praktiziert wird als das bisherige Wiener System.

(Helmut Kurzendörler; „Tauweiter In Wien)’)

Willy Brandt hat sich klar und unmißverständlich zur Lage Berlins geäußert. Er sprach im Schöneberger Rathaus, wie er selbst betonte, als Vizekanzler und Bundesaußenminister, als Berliner Bürger und als langjähriger Regierender Bürgermeister. Diese dreifache Legitimation verlieh seinen Worten besonderes Gewicht. Deshalb sollte Brandts Feststellung; „Der politische Status Berlins wird nicht einseitig verändert werden" den Initiatoren des gegenwärtigen kommunistischen Nervenkrieges gegen West-Berlin als ernste Warnung dienen. Mag die SED nur störende Propaganda oder aber eine neue Politik der Nadelstiche im Sinn haben — sie wird auf entschlossenen Widerstand stoßen.

(Co. Berlin)

Es ist unverhältnismäßig leichter, eine Diktatur zu errichten, als sie stückweise abzubauen. Immer wieder erweist sich die „Liberalisierung" eines totalitären oder auch eines bloß autoritären Systems als eine der schwierigsten und riskantesten politischen Operationen überhaupt. Das liegt nicht nur daran, daß unbeschränkte Macht für den, der sie ausübt, einfacher zu handhaben ist als beschränkte für den, der sich selber auf einmal nach langer Gewohnheit an den bequemen Gehorsam von Untertanen Grenzen seiner bisher absoluten Autorität ziehen will, ohne doch diese Autorität völlig preiszugeben. Es hängt auch damit zusammen, daß sich ein Volk, das aus der Vormundschaft des Zwanges in die (wenn auch noch so relative) Mündigkeit entlassen werden soll, nur selten in allen seinen Teilen mit den kleinen Freiheiten zufrieden geben will, die ihm die bisherigen Gewalthaber stückweise einräumen: schwindet einmal die Furcht, die es so lange in Bann geschlagen hafte, dann wird es früher oder später diese kleinen Freiheiten ausnützen wollen, um die große Freiheit zu erringen.

(Fritz Ren Allemann; „Francol Grenze')

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung