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Johnson triumphiert

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Lyndon Johnsons Sieg ist so groß, daß er nicht nur ein negatives Votum gegen seinen Rivalen darstellt, sondern auch ein positives Votum für ihn selbst. Der Präsident hat ein eindeutiges Mandat erhalten. Es verlangt aber auch von ihm, daß er über sich selbst hinauswächst, um das Land mit sicherer Hand durch die sich bereits abzeichnenden Stürme seiner bevorstehenden Amtsperiode zu führen. Eine gültige Antwort auf die Frage, ob er diese Stürme meistern kann, liegt noch nicht vor. Jedoch, der Mensch wächst mit seinem Amt. Man möchte hinzufügen, mehr noch mit einem, das er sich erkämpft, als mit einem, das er ererbt hat.

Johnson wird seinen Sieg seinem Programm des Consensus zuschreiben

— der Schaffung einer breiten Ebene, auf der sich alle Gemäßigten treffen. Es ist daher zweifelhaft, ob er das Mandat dazu benutzen wird, um eine dynamische Politik einzuleiten. Erst recht ist es zweifelhaft, ob er die Möglichkeit, die ihm gegeben ist, die von Kennedy angestrebte reinliche Scheidung der Geister zu verwirklichen, benutzen wird.

Mit diesen Zweifeln steht die Furcht, daß der Präsident keine Rücksicht auf die atomisierte Opposition nehmen wird, nicht im Widerspruch. Seine Neigung zur Autokratie wird durch den Wahlausgang wahrscheinlich bestärkt werden. Ohnedies besteht für den unerläßlichen Dialog zwischen Regierung und Opposition infolge der Schwäche der letzteren wenig Spielraum.

In aller Fairneß — wir haben es an einer negativen Stellungnahme zu dem Senator aus Arizona und allem, was sich mit seinem Namen verbindet, nicht fehlen lassen — muß man die Prinzipienfestigkeit

— Mr. Goldwäters anerkennen. Man darf wohl seine, allerdings sehr spät gekommene Erklärung dafür, daß er den Wählern immer das Gegenteil von dem sagte, was sie hören wollten, akzeptieren. Damit hat er ein erfrischendes Novum in die öde Parteipolitik gebracht. Er wäre dann der oft sehnsüchtig herbeigewünschte Mann, „der lieber recht haben will, als Präsident zu sein“. Die Zeit ist noch nicht reif dazu, zu entscheiden, ob ihm diese Haltung mehr geschadet als genützt hat. Auf jeden Fall wird Prinzipienfestigkeit ohne Klugheit,

Einsicht und Mitgefühl zum Eigensinn.

Die großen Probleme, die in der nächsten Amtsperiode Johnsons gelöst werden müssen, übersteigen die Fähigkeit eines Menschen und auch einer Partei. Daher zeichnet sich die Frage sehr groß ab, welchen Beitrag eine von Goldwater geführte Partei dazu leisten kann.

Ein Präsident muß ein geschickter Politiker sein, der imstande ist, eine widerstrebende Legislatur sich mit sanfter Gewalt gefügig zu machen. Dem .Ausland gegenüber muß er jedoch Staatsmann sein, oder zumindest die Fähigkeit besitzen, die Führung der Geschäfte an einen staatsmännischen Außenminister zu delegieren. Als Staatsmann hat sich der Präsident noch nicht bewiesen. Man hat auch nicht den Eindruck, daß Außenminister Rusk der ideale Delegat wäre.

Alle außenpolitischen Probleme treten hinter dem, das sich aus der Entwicklung der chinesischen Atommacht ergibt, zurück. Mit ihm ist das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion verbunden, mit dem wiederum die Lösung der Deutschlandfrage verzahnt ist. Ebenso ist die atomare Diffusion unter Kleinstaaten ein Teil dieses Problems.

In der Innenpolitik überschatten zwei Probleme alle anderen. Das Problem der Moral an sich sowie das moralische Problem, den Negern unabdingbare Rechte zu bestätigen, ohne in vermeintliche oder tatsächliche Rechte der Weißen einzubrechen.

In der Wirtschaftspolitik nimmt die ungeheure Frage immer schärfere Umrisse an, wie eine Krise nach dem Auslaufen des Booms verhindert werden kann. Niemand glaubt, daß dieser Boom, dessen Länge alle vorherigen schon weit hinter sich gelassen hat, die ganze nächste Amtsperiode andauern wird.

Die Welt atmet auf, weil Johnson am Ruder bleibt. Er wird erst beweisen müssen, daß sie dazu Grund hat.

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