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Kandidatenroulett

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Nach den Ostertagen geht nunmehr in der Volkspartei das große personelle Revirement in Szene. Bis Ende Mai haben die Bünde und Länder Gelegenheit, ihre Gewichte zu setzen, um zuerst im Rahmen der wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung und dann bei der Neuwahl der Parteiführung zum Zuge zu kommen. Galt und gilt es doch — allen Reformvorschlägen zum Trotz — als ein Grundgesetz, daß bei Personalfragen ein Bünde- und Länderausgleich einigermaßen hergestellt wird.

Allerdings — so meinen auch maßgebliche Funktionäre — sollte primär die Eignung der Kandidaten maßgeblich sein, damit die ÖVP mit dem besten Team in die nächste Legislaturperiode gehen kann, Daß Dr. Withalm als Parteiobmann gewählt wird, scheint festzustehen. Diese verspätete „Hofübergabe“ wird für Dr. Klaus — wie weiland für Gorbach — die Ehrenobmann-schaft der Volkspartei bedeuten —, womit sich Dr. Klaus immerhin ein gewisses Maß an Einfluß behalten kann.

Für die Regierungsmannschaft der Volkspartei gibt es drei grundsätzliche Varianten:

1. Withalm wird Vizekanzler und damit Kanzlerkandidat der Volkspartei; allerdings weiß niemand so gut wie Withalm selbst, daß er zwar im Parteiapparat beliebt ist, aber nicht die gleiche Sympathie in der Bevölkerung genießt.

2. Withalm wird „nur“ Parteiobmann, geht jedoch nicht in eine Regierung. Damit hat die Volkspartei keine allzu guten Erfahrungen gemacht. Auch der Parteiobmann Gorbach löste 1960 sehr rasch Julius Raab ab, und Josef Klaus ging wegen allzu großer Differenzen schon nach fünf Monaten Obmannschaft der ÖVP als Gorbach-Nachfolger in die Regierung.

3. Withalm würde durch etwa zwei Jahre die Parteiführung und die Vizekanzlerfunktion in seiner Hand vereinigen, aber dann einem populären „Schattenkanzler“ Platz machen, mit dem die ÖVP in die nächsten Wahlen gehen könnte.

Wer aber dieser Mann ist, wird schon jetzt durch die Zusammensetzung der ÖVP-Mannschaft entschieden. Als „sichere“ Minister gelten freilich nur jene, die auch im Wahlkampf von der ÖVP stark herausgestellt wurden:

• für die Landwirtschaft Ingenieur Schleimer,

• für Äußeres Dr. Waldheim,

• für Unterricht Dr. Mock.

Dies gilt allerdings nur dann, wenn es der Volkspartei gelingt, diese Ministerien wieder zu besetzen. Dr. Koren darf sicherlich damit rechnen, ein Wirtschaftsressort zu übernehmen. Er wäre ein geradezu idealer Kritiker jedes SPÖ-Finanzmini-sters und hätte das notwendige Format, auch für höchste Ämter in der Zukunft bereitzustehen. Einen Schönheitsfehler hat diese Liste der „Fixstarter“ allerdings: Einige Bundesländer sind überhaupt nicht vertreten, und die Genannten genießen auch nicht das absolute Vertrauen ihrer Bündespitzen. So werden wahrscheinlich Vertreter der westlichen Bundesländer irgendwie zur Spitze vorstoßen müssen. Als aussichtsreiche Kandidaten werden dabei der Oberösterreicher Ingenieur Heibich genannt (der in seinem Wahlkreis einen sehr massiven Persönlichkeitswahlkampf als Nationalratskandidat führte und erreichte, daß das Mühlviertel von allen oberösterreichischen Wahlkreisen am besten abschnitt), sowie der Salzburger Landesparteiobmann Glaser, der bisher zu den notorischen Kritikern der Wiener Zentrale zählte und in seinem Bundesland ein „geordnetes Haus“ übergeben konnte. Womit freilich noch immer die Bundesländer Wien, Tirol, Vorarlberg, Steiermark und Burgenland in dem Kandidabenroulett vertreten wären. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es höchst unwahrscheinlich, daß der Generalsekretär der ÖVP etwa auch aus Niederösterreich stammen soll — was vor allem für den in die Diskussion gebrachten niederösterreichischen Landesparteisekretär und erst im Oktober 1969 als Landtagsabgeordneten gewählten Dr. Otto Bernau gilt. Dazu kommt, daß ein Generalsekretär einfach auch im Parlament sitzen muß, um Autorität und Einsatz zu gewährleisten.

Ohne Frage wird in einigen „Herzogtümern“ ventiliert, die Landesobmänner Prader oder Soronics auf den einflußreichen Sessel eines Generalsekretärs zu setzen — was allerdings aus mehreren Gründen ein fragwürdiges Experiment wäre. Sicherlich wird auch der Wiener Landesparteiobmann Dr. Bauer seinen Sessel in der Falkestraße nicht aufgeben; schon deshalb nicht, weil er dort nach nicht einmal einem Jahr so gut wie unersetzbar ist. So konzentriert sich ein gewisses Interesse auf jüngere Nationalräte der Volkspartei, die sowohl organisatorische Fähigkeiten (die der Generalsekretär braucht) mitbringen, als auch in der Öffentlichkeit eine gewisse Sympathie finden.

Die innerparteiliche Diskussion spitzt sich in den letzten Tagen auf einige „neue“ Abgeordnete zu; vor allem auf

• Dr. Krainer, der als talentierter Bauernbunddirektor die innerparteiliche Organisation kennt, Stei-rer ist und zu den „aufgeklärten“ Agrariern zählt;

O Dr. Blenk, einen Vorarlberger, der als Kammerbeamter die Vorarlberger Industrie betreute und bereits als Generalsekretär des Wirtschaftsbundes vorgesehen war;

• und schließlich den Wiener ÖAAB-Mann Dr. Karasek, der als Gesandter und Leiter der Abteilung für kulturelle Auslandsbeziehungen Österreichs über souveränes Format verfügt.

Bei aller Roulettkombinaition wird der jetzige Generalsekretärstellvertreter Pisa außer acht gelassen. Er gilt eben doch als „Sündenbock“ der verlorenen Wahl, und erboste ÖVP-Funktionäre werfen ihm (übrigens unberechtigt) Fehler in der Wahlkampfführung vor, wenngleich klar sein muß, daß ja letztlich nur die politische Konstellation mit der Forderung nach uneingeschränkter Alleinregierung den Wahlausgang provoziert hat.

Man weiß aber auch, daß der Generalsekretär der Partei auf einem Bundesparteitag gewählt wird, auf dem normalerweise die Stimmung eine große Rolle spielt. Die mehr als 600 Funktionäre wählen sehr oft nach anderen Gesichtspunkten als ausschließlich nach bündischen oder landespolitischen.

So ist es durchaus auch nicht ausgeschlossen, daß für den Generalsekretär zwei (oder sogar mehrere) Kandidaten vorgeschlagen werden. Mit einer Stichwahl ist man ja auch 1963 nicht schlecht gefahren.

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