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Prozente für Journalisten

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Eine der wirkungsvollsten Ankündigungen der sozialistischen Minderheitsregierung war, daß sie auf „Öffentlichkeitsarbeit“ verzichten wolle. Die Taten der Regierung Kreisky sollen für sich sprechen. Die der Regierungspropaganda abgesparten Millionen sollen der Forschung zugute kommen.

Soweit, so gut. In der Folge stellte sich heraus, daß diese Regierung tatsächlich auf jene Krücken verzichten kann, die der Regierung Klaus bei ihren Gehversuchen auf dem ihr so fremden Gebiet der „public rela-tions“ behilflich sein sollten. Mit jedem Tag bewies vor allem Bundeskanzler Dr. Kreisky seine Virtuosität in der blitzschnellen Erfassung werbewirksamer Themen, auch wenn sie anfangs noch so verfahren aussahen (siehe Fall öllinger). Er brauchte keinen Presseberater, um zu wissen, daß ein Politiker sich mit Journalisten und Rundfunkreportern gut stellen muß.

Für die Naivität der ÖVP-Politiker, die bei ihrem jüngsten Parteitag mit ernster Miene forderten, man solle „zehn Prozent“ der Arbeitszeit täglich für Kontakte mit Journalisten aufwenden, kann ein Dr. Kreisky nur ein mitleidiges Lächeln übrig haben. Wieviel Prozent sind es bei ihm? Bestimmt mehr als zehn. Das Ergebnis' war zunächst phänomenal. Die beste Presse, die wohlwollendsten Kommentare, die vorteilhaftesten Interviews und Reportagen. Erst allmählich sickerte es durch, daß manche von den stets zuvorkommend behandelten Journalisten leise zu murren begannen: Dr. Kreisky und seine Kabinettskollegen geben gern Auskunft, sie sind dazu bereit zu jeder Tageszeit, nur sind ihre Auskünfte manchmal unpräzis und weisen manchmal Widersprüche auf. Und manche ihrer Erklärungen stimmen bedenklich und geben zu Besorgnis Anlaß. Das erste Paradebeispiel lieferte der neue Landwirtschaftsminister mit seinem Kommunique über Einigung bei einem „Milchgipfel“ hinsichtlich der Erhöhung des Krisengroschens,die von agrarischer Seite prompt dementiert wurde. Es gab noch andere Beispiele. Nicht nur unpräzis, sondern gerade auch wegen ihrer Verschwommenheit besorgniserregend waren die Erklärungen der Frau Minister ohne Portefeuille Doktor Firnberg über die in freien und geheimen Wahlen gewählte österreichische Hochschülerschaft, sie sei „nicht repräsentativ“, und des Bundeskanzlers, man müsse sich „über eine echte Demokratisierung“ des österreichischen Rundfunks „sehr ernste Gedanken machen“. Generalintendant Bacher garantiert also keine „echte“ Demokratie.

Beide Erklärungen, gerade, weil sie so unpräzis gehalten sind, können aber auch sehr viel und Bedrohliches bedeuten. So gut geschulte Politiker wüßten es nicht, was es heißt und in welche Gesellschaft man sich begibt, wenn man den repräsentativen Charakter frei gewählter Körperschaften in Zweifel zieht oder wenn man so ganz allgemein eine „echte Demokratisierung“ fordert dort, wo das geltende Gesetz die demokratische Kontrolle bereits gewährleistet? Mit dem Wort Demokratisierung wurde, wie man weiß, in Systemen, die der Bundeskanzler ablehnt, Schindluder getrieben. Es ist Vorsicht am Platz.

Weniger wäre manchmal mehr: das gilt auch für die Informationspolitik der Regierung. Und weniger, aber genauer: das gilt vor allem für Fragen, die den Lebensnerv unserer demokratischen Rechtsordnung berühren.

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