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Wetterprognosen für die nächsten 24 Stunden treffen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu. Ein weltumspannendes Informationssystem macht das möglich. Ein Beitrag über Perspektiven und Grenzen meteorologischer Vorhersagen.

Die Basis des Fortschritts der modernen Wettervorhersage ist das weltumspannende System der kontinuierlichen Beobachtung aller atmosphärischen Vorgänge: Mit Hilfe von Wetterstationen, Schiffen, Flugzeugen, Satelliten- und Radarnetzen, neuerdings auch mit Blitzortung werden möglichst alle Wetterelemente erfasst. Es stehen aus allen Ländern der Nord- und Südhalbkugel zumindest alle sechs Stunden Wetterbeobachtungen zur Verfügung. So sind beispielsweise innerhalb von 24 Stunden rund 60.000 Wetterbeobachtungstelegramme aus aller Welt greifbar.

Wettersatelliten helfen, die fehlenden Datensätze, vor allem über den Ozeanen, zu ergänzen. Sie erfassen Daten der Oberflächentemperatur von Land, Wasseroberfläche und Wolken. Satellitenbilder geben eine gute Übersicht über die Verteilung, Struktur und Bewegung von Wolken und damit von Wettersystemen. Daraus lassen sich auch deren Stärke und Entwicklung ableiten.

Supercomputer sowie ständig verbesserte und erweiterte physikalische Rechenmodelle und neue Konzepte simulieren den Wetterablauf immer detaillierter und weiter in die Zukunft. Computerleistungen von mehr als einer Milliarde Rechenschritte pro Sekunde sind als Minimum der Rechnerausstattung für die Wettervorhersage erforderlich.

Umfassende Diagnose

Wie wird nun aber heute das Wetter vorhergesagt? Die Wettervorhersage besteht:

* aus der Diagnose der Atmosphäre, also der Erfassung der gegebenen Situation,

* aus der Simulation, also der Vorausberechnung der weiteren Abläufe in der Atmosphäre,

* aus der Interpretation der künftigen physikalischen Zustände, also der Formulierung der Prognose für den Verbraucher.

Die Meteorologie ist eine Physik der Atmosphäre. Als angewandte Wissenschaft nutzt sie das Wissen und die Gesetze der klassischen Mechanik und Hydrodynamik, der Thermodynamik und Chemie. Und dennoch ist die Meteorologie komplexer. Vor allem steht sie unter dem Zwang ununterbrochenen Anwendungsbedarfs, wenn es um Vorhersagen geht.

Am Anfang jeder praktischen Wettervorhersage steht die Kenntnis des atmosphärischen Zustands in der ganzen Vielfalt seiner Elemente und der vier Dimensionen: Länge, Breite, Höhe und Zeit. Diese Phase bezeichnet man als Diagnose. Zur Vorhersage für eine Stunde im Voraus genügt es zu wissen, wie das Wetter in der näheren Umgebung ist. Gewöhnlich reichen 50 bis 100 Kilometer in jene Richtung, aus der im Moment "das Wetter kommt".

Daten von der Südhalbkugel

Für einen Tag im Voraus benötigt man schon Daten aus ganz Europa. Für zwei bis vier Tage müssen aktuelle Beobachtungen vom Nordpol bis zum Äquator und von Mittelasien bis zu den amerikanischen großen Seen vorliegen. Will man aber fünf- bis zehntägige Prognosen erstellen, so werden bereits globale Datensätze benötigt. In dieser Zeitspanne nehmen auf das Wetter in unseren Breiten auch Vorgänge auf der Südhalbkugel Einfluss.

Das Vorhersagesystem der Simulation der Atmosphäre besteht aus zwei Teilen: einem Prognosenmodell und einem System der Datenassimilation. Das Prognosenmodell umfasst die physikalischen Gleichungen. Sie beschreiben den zeitabhängigen Zusammenhang zwischen Luftdruck, Temperatur und Luftdichte, die Beziehungen zwischen Luftdichte und Änderung des Luftdrucks mit der Höhe, die Beziehung zwischen der Bodenreibung und dem Wind sowie den Einfluss der Sonne. Der Stand des Wissens auf diesem Gebiet hat mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht. Weitere Verbesserungen sind als marginal einzustufen.

Die Datenassimilation legt auf Grund der beobachteten Daten den Anfangszustand der Atmosphäre für das Prognosenmodell fest, damit dieses in weiterer Folge in die Zukunft rechnen kann. Erfasst werden alle meteorologisch bedeutsamen Daten, wie sie räumlich und zeitlich verfügbar und wie zuverlässig sie sind.

Diese Technik ist immer anspruchsvoller geworden. Das jetzige Verfahren nennt sich "4D-Var " (vierdimensionale Variationsanalyse). Es vereinigt in programmierter Form das Wissen und die Erfahrung der fähigsten Meteorologen auf dem Gebiet der Analyse meteorologischer Felder. Und es verknüpft die aktuelle mit der vergangene Wetterbeobachtung zu einem Trend.

Interessant an diesem Verfahren ist, dass die datenmäßig erfasste Ausgangssituation auch mit vorhergesagten Beobachtungen in Beziehung gebracht wird. Durch die Einbindung großer Mengen an Satellitendaten ist zu erwarten, dass die "4D-Var" weiter verbessert werden wird. Hier liegt somit ein großes Hoffnungsgebiet für die Wettervorhersage.

Die durch das Simulationsmodell vorhergesagten Zustände der Atmosphäre zu interpretieren, ist die wichtigste Aufgabe des Meteorologen. Schrittweise werden die vorhergesagte Wetterwerte zeitlich verfolgt und zusammengefügt. Diese Vorgangsweise erfordert ein hohes Maß an Ausbildung und Training der Meteorologen. Diese lassen sich vom Vorhersagemodell quasi mit der physikalischen Welt der Atmosphäre in die Zukunft tragen.

Objektiv interpretieren

Die Interpretation der Atmosphäre soll möglichst objektiv erfolgen. Auch statistische Größen fließen mit ein. Die Erfahrung des Meteorologen soll mehr und mehr in den Hintergrund treten. Sie muss aber überall dort noch Platz greifen, wo das Vorhersagemodell nicht ausreichend Information liefert. Das ist beispielsweise bei kleinräumigen Wetterphänomenen der Fall, etwa bei Glatteis oder Nebel.

Das Ergebnis einer solchen Interpretation durch den Meteorologen ist die ausformulierte Prognose für den Endverbraucher. Wettervorhersagen für Regionen sind treffsicherer als Prognosen für einen einzelnen Ort. Eine Punktprognose birgt immer eine Unsicherheit im zeitlichen Ablauf: So kann der angekündigte Sonnenschein beispielsweise erst einige Stunden später kommen.

Keine Langfrist-Prognosen

Über welchen Zeitraum sind Wettervorhersagen heute sinnvoll? Eine Vorhersage für beliebig lange Zeit im Voraus ist unmöglich, egal mit welcher Methode und auch dann nicht, wenn der gegenwärtige Zustand mit dem besten Diagnoseverfahren exakt bekannt wäre. Grund dafür sind die komplexen, nichtlinearen Systeme, die das Wetter beschreiben.

Diese Nichtlinearität im System ist schuld, dass ab einem gewissen Zeitpunkt das Ergebnis eines Simulationsmodells ins Irreguläre umschlägt. In der Meteorologie spricht man von einem sogenannten "deterministischen", vorherbestimmbaren Chaos.

Die Grenze der Vorhersagbarkeit ist eine Funktion des räumlichen Maßes, hängt also vom Größenmaßstab der betrachteten meteorologischen Vorgänge ab. Das heißt: Das Azorenhoch oder das Islandtief sind für längere Zeiten eher vorhersehbar als ein Hurrikan oder ein Gewitter. Solche kleinräumigen Wetterphänomene sind besonders schwierig zu fassen.

Trotz physikalischer Gesetze liegen in der Atmosphäre biologische Verhaltensmuster vor. Laufend entstehen und vergehen Strukturen, die an Individuen erinnern. Am auffälligsten ist dies beim Entstehen und "Sterben" von Tiefdruckgebieten.

Als gesichert gilt, dass die Grenze der Vorhersagbarkeit sehr eng mit der jeweiligen Lebensdauer des zu prognostizierenden atmosphärischen Merkmals zusammenhängt: Eine einzelne sommerliche Gewitterzelle zum Beispiel "lebt" selten länger als zwei Stunden. Hat sie sich aber mit anderen "verbündet" und einer gewissen Ordnung unterworfen, z.B. Schauer- und Gewitterstaffel an einer Kaltfront, dann steigen die Chancen ihrer Vorhersagbarkeit auf etwa sechs bis zwölf Stunden. Große, steuernde Tiefdruckwirbel in unseren gemäßigten Breiten leben typischerweise eine Woche und können heutzutage auch so weit vorhergesagt werden, auch dann, wenn ihre Entstehung noch nicht zu erkennen ist.

Unter diesen genannten Voraussetzungen werden Wettervorhersagen im praktischen Dienst bis zum zehnten Vorhersagetag abgefasst. Eine 24-stündige Vorhersage weist im Durchschnitt 95 Prozent Treffsicherheit auf. Die Vorhersagegenauigkeit fällt mit jedem weiteren Tag. Am siebenten Vorhersagetag liegt meist eine Vorhersagegüte um 60 Prozent vor. Hier ist die Leistung der Vorhersage nur mit Wahrscheinlichkeitsangaben zu fassen.

Mittelfristig: Trendangaben

Aussagen über zehn Tage hinaus über das künftige Wetter sind sehr erwünscht, stehen aber zur Zeit im experimentellen Stadium. So werden Monatsvorhersagen und Saisonvorhersagen auf experimenteller Basis durchgeführt und ihre Aussagekraft auf Brauchbarkeit getestet. Derartige Prognosen unterscheiden sich von herkömmlichen Wettervorhersagen dadurch, dass im Wesentlichen Trendangaben die Vorhersage bestimmen. Überschreitet man diese Zeiträume, kann nur noch das Klima eine Antwort liefern. Eine derartige Antwort greift auf das Gedächtnis der Natur zurück und ist weitestgehend eine gemittelte Aussage.

Der Autor ist Leiter der Fachabteilung Vorhersagedienst an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien.

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