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Das wirtschaftliche Geschehen wird mit ökonometrischen Modellen mathematisch erfasst. Diese gehören zum Standard-Repertoire der Wirtschaftsprognose.

Prognosen sind ganz allgemein Aussagen über Ereignisse oder Vorgänge, die in der Zukunft liegen. Da menschliches Handeln auf die Zukunft ausgerichtet ist, sind unsere Erwartungen über die Zukunft, also unsere Vorhersagen, für unser Handeln entscheidend. Vorhersagen betreffen ganz unterschiedliche Bereiche, von der Sonnenfinsternis über das Wetter bis zum Wirtschaftswachstum.

Da die Zukunft, je nach Ereignis, mehr oder weniger mit Unsicherheit behaftet ist, stellt sich auch die Frage nach der Qualität von Prognosen. Diese Qualität hat zumindest zwei Dimensionen: Zum einen die des Ausmaßes der Übereinstimmung zwischen prognostiziertem und tatsächlich eingetretenem Ereignis. Zum zweiten ist zu berücksichtigen, wie präzise und wie im Voraus unwahrscheinlich eine Vorhersage ist - je unwahrscheinlicher ein vorhergesagtes, tatsächlich eingetretenes Ereignis ist, desto besser ist die Prognose.

Zusammenhänge erkennen

Menschen machen laufend Vorhersagen auf ganz unterschiedlichem Reflexionsniveau. Wir wollen uns hier mit dem wissenschaftlichen Zugang zur Erstellung von Prognosen beschäftigen. Die zentralen Elemente sind dabei, zum einen die Erarbeitung von relevanten Zusammenhängen und zum anderen die Verwendung dieser Zusammenhänge zur Fortschreibung in die Zukunft. Dabei ist eine wesentliche Annahme die, dass sich gewisse Zusammenhänge in der Zukunft nicht ändern.

Ein Beispiel hierfür ist etwa die Vorhersage einer Sonnenfinsternis aus der Kenntnis der Bahnen der Planeten und des Mondes und den entsprechenden Extrapolationen. Solche Prognosen werden typischerweise mit deterministischen Modellen durchgeführt und die Aussagen enthalten keine Wahrscheinlichkeitselemente.

Vielfach ist aber die Erfassung der Unsicherheit über die Zukunft wichtig. Ein Instrument dazu, insbesondere bei quantitativen Prognosen, bietet die Theorie stochastischer Prozesse. Diese sind mathematische Modelle für zufällige, zeitlich ablaufende Vorgänge. Kennt man einen derartigen Prozess, so kann man die Prognose als ein Problem der Annäherung zukünftiger Variablen durch vergangene formulieren und entsprechend lösen.

In vielen Fällen ist aber der zugrunde liegende stochastische Prozess unbekannt. Seine für die Prognose bedeutenden Merkmale müssen dann aus den Beobachtungen der Vergangenheit geschätzt werden. Dies geschieht meist, indem man aus den Daten ein Modell für den zufälligen Vorgang schätzt. In diesem Fall gibt es zwei Quellen für die Unsicherheit der Prognose: Zum einen die oben erwähnte, zum anderen jene, die aus der Schätzung der Merkmale des unbekannten Prozesses entsteht.

Bei Prognosen im gesellschaftlichen Bereich ist zusätzlich in Betracht zu ziehen, dass diese die Zukunft über die aus den Prognosen abgeleiteten Handlungen beeinflussen können.

Ganz allgemein beschäftigt sich die Ökonometrie mit der Gewinnung und Verdichtung von Information aus ökonomischen Daten. Besonderes Gewicht wird dabei auf den Bau ökonometrischer Modelle gelegt, die auch zur Prognose verwendet werden können. Hierbei werden mit Hilfe von vorgegebenem Wissen über ökonomische Zusammenhänge und von Daten mathematische Modelle erstellt. Sie beschreiben die Beziehungen zwischen jenen Größen (Variablen), denen man Bedeutung zumisst.

Je nach Anwendungsbereich unterscheidet man dabei beispielsweise Makromodelle, also Modelle für eine Volkswirtschaft, Modelle für Finanzmärkte oder Modelle für Unternehmen.

Seit den dreißiger Jahren

Zur eigenständigen Wissenschaft hat sich die Ökonometrie in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts entwickelt. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch die als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise entwickelte Keynes'sche Theorie und die fast zur gleichen Zeit erstellten volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Diese lieferten die Datenbasis.

Durch die Arbeiten der Cowles Commission - gegründet 1932 - wurde das methodische Fundament für den Bau ökonometrischer Modelle gelegt. Die ersten Modelle für Volkswirtschaften wurden von den Nobelpreisträgern Jan Tinbergen und Laurence Klein erstellt.

In den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts erlebte dann die Ökonometrie einen großen Aufschwung. Es wurden Makromodelle für viele Volkswirtschaften erstellt; die Verbesserung der Datenbasis und der ökonometrischen Methoden, die Fortschritte in der ökonomischen Theorie, vor allem aber auch die steigenden Rechnerleistungen, brachten bedeutende Verbesserungen und Effizienzsteigerungen mit sich.

Wachsende Kritik

Die konkreten Erfahrungen mit Prognosen solcher Modelle führten aber auch zu steigender Kritik an der Qualität der Prognosen. Den Höhepunkt erreichte diese Kritik mit den schlechten Prognosen vieler Modelle bei den im Zuge der ersten Ölkrise entstandenen Erschütterungen der Weltwirtschaft.

Auf diese Erfahrungen hat die Ökonometrie mit einer Reihe von entscheidenden methodischen Innovationen reagiert. Heute gibt es für die Volkswirtschaften aller wichtigen Industriestaaten ökonometrische Modelle. Für die USA, Deutschland oder Japan liegt deren Zahl über 100. Die Größe und damit der Grad der Detaillierung, mit der Volkswirtschaften durch solche Modelle beschrieben werden, schwanken beträchtlich. Mehrere hundert Gleichungen stellen da keine Seltenheit dar.

Prognosen für die - insbesondere kurzfristige - Entwicklung einer Volkswirtschaft mit ökonometrischen Modellen sind heute ein Standardinstrument für die Wirtschaftsprognostik. Sie sind allerdings nicht der einzige Zugang. Vielfach werden ökonometrische Prognosen in Kombination mit subjektiven Einschätzungen von Experten verwendet.

Ein Vorteil bei der Verwendung von Makromodellen liegt in der Systematisierung des Zuganges. Damit sind auch die Schritte der Prognose und deren Ergebnis besser nachvollziehbar und vergangene Informationen lassen sich besser speichern. Auf diese Weise können Prognosen auch schneller und weniger aufwendig erstellt werden.

Dennoch sind ökonometrische Prognosen im makroökonomischen Bereich noch keineswegs voll zufriedenstellend. Dafür gibt es eine Reihe von wichtigen Gründen. In Zeiten relativer Konstanz der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind Prognosen einfacher. Seit dem zu Ende Gehen der Nachkriegszeit erleben wir aber rasche Strukturveränderungen, ausgelöst z. B. durch die unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefassten steigenden Vernetzungen im Finanz- und Produktionsbereich, sowie durch die zunehmende internationale Konkurrenz.

Zusammenhänge nicht exakt

Darüber hinaus sind makroökonomische Zusammenhänge grundsätzlich nicht exakt. Ihre Parameter sind nicht invariant über der Zeit. Auch stehen vielfach unterschiedliche Theorien zur Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens zur Verfügung. Außerdem ist die Information aus den Daten, die auch häufig fehlerbehaftet sind, begrenzt. Durch Strukturänderungen wird darüber hinaus die Information aus der Vergangenheit für die Zukunft entwertet und zudem ist zu erwarten, dass, wie schon zuvor erwähnt, auf Prognosen reagiert wird.

In gewissem Sinne findet ein ständiger Wettlauf zwischen der Verbesserung der Datenbasis und des ökonometrischen Instrumentariums sowie der ständigen Veränderung der Wirtschaft statt. Dieser Wettlauf ist auch erforderlich. Um ein Bild zu gebrauchen: Schneller fahrende Autos benötigen bessere Scheinwerfer.

Neben der Prognose im volkswirtschaftlichen Bereich hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten die Ökonometrie im Finanzbereich zu einem Boomgebiet entwickelt. Dies hängt mit der gestiegenen Bedeutung der Finanzmärkte sowie der steigenden Verwendung komplexer Produkte auf solchen Märkten zusammen. Wichtige Probleme sind hier z. B. die Prognose von Aktien- und Wechselkursen, insbesondere aber auch die Prognose der Volatilitäten, also der Schwankung solcher Kurse. Diese Volatilitäten sind als Risikomaße wichtig.

Prognosen für Unternehmen

Auch für Unternehmen werden ökonometrische Prognosen zunehmend wichtiger. Beispiele hierfür sind etwa Absatzprognosen für eine optimale Bestellpolitik oder die Produktionsplanung oder die Prognose der Marktreaktionen in Abhängigkeit von Marketinginstrumenten. Hier ist ebenso wie im Finanzbereich die Entwicklung im Fluss.

Eine moderne Wirtschaft hat in vielen Bereichen Bedarf an guten Prognosen zur Fundierung von Entscheidungen. Dies gilt für Vorgänge in Unternehmen, auf Arbeits- Güter- und Finanzmärkten, in Branchen, Volkswirtschaften und in noch größeren Einheiten. Wissenschaftlich fundierte, auf Information aus Daten aufbauende Prognoseverfahren spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. An der Verbesserung derartiger Prognoseverfahren und der Erweiterung der einschlägigen Datenbasis wird gegenwärtig intensiv gearbeitet.

Der Autor ist Professor für Ökonometrie an der Technischen Universität Wien.

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