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Flucht aus der Realität
Das neue Ladenschlußgesetz wird sich, so ist zu hoffen, schon bald ad absurdum führen. Die überflüssigen Paragraphen könnten dann als juridischer Sondermüll entsorgt werden.
Das neue Ladenschlußgesetz wird sich, so ist zu hoffen, schon bald ad absurdum führen. Die überflüssigen Paragraphen könnten dann als juridischer Sondermüll entsorgt werden.
Gesetzgebung, Regierung und Beamte sind überfordert: Brüssel urgiert überfällige Anpassungen an EÜ-Richtlinien; Finanzbeamte müssen den Steuerzahlern rückwirkend beschlossene Gesetze erklären, die sie selbst noch nicht durchschauen, und die Republik Osterreich „versetzt” ihre Anteile an der Bank Ausflrta bei der staatlichen Post-Holding, wodurch die Milliarden hereinkommen, die man eigentlich beim Verkauf der Creditanstalt kassieren wollte. '
Mitten in diesem gefährlichen
Chaos haben Wirtschaftsminister, Parlamentarier und Sozialpartnerfunktionäre nichts Besseres zu tun, als sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Neffe zweiten Grades noch als „Familienangehöriger” anzusehen ist, wenn er sonntags in der Greißlerei seines Onkels
Extrawurst verkauft.
Statt sich mit ganzer Kraft dem Kerngeschäft des Staa tes zu widmen und um Rechtssicherheit, sparsame Verwaltung oder die internationale Harmonisierung von Rahmenbedingungen (zum Beispiel l mweltschutz) zu ringen, wird Hnf breiter Front die Fluchräüs der Realität in die Scheinwelt überflüssiger Paragraphen angetreten.
1 )as ganze Ladenschlußgesetz ist eine lächerliche Scheinaktivität des reglementiersüchtigen Wichtigmacherstaates. In ihrer Hilflosigkeit gegenüber den lebendigen neuen Aufgaben unserer Zeit wie Bürokratieabbau und Internationalisierung, widmet sich die Politik als Ersatzljand-lung der denkmalschützerischen Mumienpflege obsoleter Gesetze wie der zünftlerischen Auf- und
Zusperrordnung des 1 landels.
Das Ladenschlußgesetz dient weder der öffentlichen1
Ordnung noch, und schon gar nicht, dem Konsumentenschutz. E jhent ausschließlich _ dem Schutzyor Wettbewerb, der Fesselung unternehmenslustiger Kaufleute und te Beschäftigung von*”* Überwachungsbürokraten, die mit der ersatzlosen Streichung des Ladenschlußgesetzes ihre dubiose Existenzberechtigung verlieren würden. Die Hälfte aller zivilisierten Industriestaaten kennt den Begriff „Ladenschlußgesetz” überhaupt nicht. Es wird dort nicht als Staatsaufgabe angesehen, den Bürgern vorzuschreiben, wann sie ihre Waren feilbieten dürfen oder einkaufen sollen.
Für den Schutz der Arbeitnehmer und Anrainer ist auf anderer gesetzlicher und kollektivvertraglicher Fbe ne reichlich vorgesorgt: Arbeitsruhe, Überstunden, Nachtarbeit, Lärmschutz et cetera. Dazu bedarf es des Ladenschlußgesetzes nicht. Es entspringt einer unreflektiert übernommenen Tradition und fußtauf der Anmaßung des Staates und der Kammern, zu wissen, welcher Arbeits- und Lebeiisrliythmus dem einzelnen gut tut.
Dazu kommt noch, daß manebej!..
I ntertaflen degenenerteRmg*eeirar sklavische Sehnsucht nach dem obrigkeitlichen Gängelband haben, an dem sie verantwortungslos aber scheinbar sicher durch's Leben laufen.
Das neue Gesetz mit seinen verwirrenden Details und kabarettreifen Konsequenzen, etwa an der Grenze zwischen liberalen und konservativen Bundesländern, wird sich, so ist zu hoffen, schon bald selbst ad absurdum führen. Dann würde es zu totem Recht, in dessen Schatten die Wirtschaft sich kraftvoll entfaltet.
Als nächster Schritt käme die Entsorgung der Ladenschlußparagraphen als juridischer Sondermüll und ihre Deponierung im Kuriositätenkabinett staatlicher ReglCmentiersucht.
Manchmal hege ich die I loffnung, Wirtschaftsminister Farnleitner ist doch so intelligent wie er wirkt, und hat, da mit Vorbedacht.ein tödliches Virus in das Netzwerk desZuspeirgesetzesjein -gepflanzt, um es nach ein paar Janren in tiefer Trauer zu beerdigen.
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