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Hexe Kniesebein war nicht in der Partei

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Kinderfilm” ist ein unscharfer Begriff: Filme für welches Alter? Kinder unter sechs Jahren sind von allem, was mehr als eine Stunde dauert, überfordert. Und die schlechten Gewohnheiten, die sich die kleinen Zuschauer beim Fernsehen aneignen, tragen nicht zum guten Benehmen im Kino bei. Wenigen Regisseuren gelingen Filme, die sowohl Kindern als auch Jugendlichen gefallen. Die Film Wirtschaft wurde sich allerdings in den letzten Jahren immer mehr dessen bewußt, daß man auch die jüngere Generation zum Kinogehen anspornen soll. Es werden wieder mehr Kinderfilme gedreht - aber noch immer nicht genug.

Resonders bei den großen internationalen Filmfestivals gibt es meistens eine eigene Sektion für den Kinderfilm. Im Anschluß an die „Viennale 95” wird in der ersten Novemberwoche eine Internationale Kinderfilmwoche (im Kosmos-Kino) veranstaltet. Dort kann man Filme erleben, die im Vergleich zu den primitiven Produkten aus japanischen und koreanischen Trickfilmstudios, die das Fernsehen tagtäglich während der sogenannten Kinderstunden ausstrahlt, eine erfreuliche Abwechslung darstellen.

Im Rahmen der „Alpinale” in Blu-denz findet seit drei Jahren auch ein internationales Kinderfilmfest statt, das wenigstens genau so wichtig ist wie die Hauptveranstaltung. Die Kinder sind dabei nicht passive Zuschauer, sondern werden aufgefordert, ihre Meinung auszudrücken. Dies geschieht mittels Bällen, die in vorbereitete Körbe geworfen werden: einer mit einem lachenden, einer mit einem weinenden und einer mit einem gleichgültigen Gesicht. Heuer erhielt der kanadisch-französische Film „Matusalem” von Roger Cantin die meisten Stimmen.

Es geht um den Spuk eines Kapitäns, der auf der Erde herumirrt und von bösen Gesellen verfolgt wird. Schließlich helfen ihm einige Kinder, seinen Feinden zu entkommen und Ruhe zu finden. Jüngeren Kindern durfte dabei nur das Konzept eines Fensters durch Zeit und Raum Schwierigkeiten bereiten.

Ein besonderes Zuckerl war auch die Vorpremiere des neuen österreichischen Kinderfilms „Lisa und der Säbelzahntiger” (Start in Wien Ende September). Bei diesem Werk von Bernd Neuburger und Nadja Seelich („Jonathana und die Hexe”) sind Säbelzahntiger, Mammuts und Steinzeitmenschen Teil der Phantasiewelt des Waisenkindes Lisa. Das wirkliche Problem für das Kind liegt in der Tatsache, daß seine Adoptiveltern vorder Scheidung stehen.

In Fachkreisen ist es kein Geheimnis, daß einige der besten Kinderfilme der letzten Jahrzehnte in den osteuropäischen Staaten gedreht wurden, auch in der DDR, wo solche Filme frei von politischer Propaganda entstanden. Einer der Pioniere ist Regisseur Gunter Meyer, von dem in Bludenz „Sherlock Holmes und die sieben Zwerge” lief: eine unterhaltsame Mischung von Märchenzauber und kriminalistischem Spürsinn. Die Moral ist bemerkenswert: „Man soll die Bösewichter, wie die Hexe Kniesebein und Rumpelstilzchen, nicht aus den Märchen verbannen, sonst hätten diese keinen Sinn mehr!”

Der am letzten Tag gezeigte australische Film „Der silberne Hengst” von John Tatoulis liegt an der Grenze zwischen Jugend- und Erwachsenenfilm. Es ist die wunderschöne, balla-denhafte Geschichte eines Hengstes mit silberner Mähne, der lieber in den Tod geht, als seiner Freiheit beraubt zu werden.

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