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Kultur für Kinder

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Mit vorweihnachtlichen Aufführungen des „Nußknacker” oder von „Hansel und Gretel” haben bei Kindern schon immer erste Kultureindrücke begonnen. Ist in der Zeit der „Medienkinder”, des veränderten Familienlebens Kultur für Kinder noch gefragt? Was wird geboten?

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Mit vorweihnachtlichen Aufführungen des „Nußknacker” oder von „Hansel und Gretel” haben bei Kindern schon immer erste Kultureindrücke begonnen. Ist in der Zeit der „Medienkinder”, des veränderten Familienlebens Kultur für Kinder noch gefragt? Was wird geboten?

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Belehrend, betulich, „kindertümelnd” aber auch engagiert, innovativ und idealistisch - Kultur für kleine Menschen (aber nicht nur für sie) hat viele Gesichter. So würde sich mancher Erwachsene, der aus seiner Kindheit nur Märchen- und Kasperlaufführungen kennt, kräftig wundern über das, was heute manchmal auf dem Sektor Kindertheater geboten wird. Tanz- und Bewegungstheater gibt es da ebenso wie phantasievoll und effizient inszenierte Einpersonenstücke, in denen ein Schauspieler auch in verschiedene Rollen schlüpft.

Viel Avantgardistisches kann sich entwickeln, zum Teil wird aus der Not (Mangel an Requisiten, an finanziellen Mitteln) eine Tugend gemacht, teils ist es wohl die pure Lust am Experimentieren. Und gerade Kinder sind dafür ein gutes Publikum, sind sie es doch, die es zustandebringen, einen Stein in einem Moment als einen Hund zu betrachten und im nächsten als ein Auto - je nach Bedarf.

Selbstverständlich gibt es nach wie vor die guten alten Märchenstücke oder Theaterbearbeitungen von Kinderbuchklassikern, wie etwa Ottfried Preußlers „Kleiner Hexe”.

Die Bandbreite im Bereich des. Kindertheaters sei groß, bestätigt Margit Rausch-Daves vom Kin-dertheaterfestival in Bludenz. Und auch Österreich sei im europäischen Vergleich keineswegs „ganz hinte”, es gäbe sechs bis sieben „wirklich gute Gruppen”.

Wesentlich belebt wird die Landschaft von Theatermachern, die das Kindertheater für sich als passende Nische entdeckt haben. Was macht etwa ein Tänzer, der nicht groß und schlank ist - oder einfach älter wird? Für viele gut ausgebildete Künstler ist das Theater für Kinder aber nicht eine Notlösung, sondern ein lohnendes Betätigungsfeld.

Ein Bereich, in dem Österreich einen guten Ruf genießt ist die Kinderhteratur. Namen wie Mira Lobe, Käthe Recheis oder Christine Nöst-linger sind im gesamten deutschen Sprachraum bekannt, und eine Zeitlang gab es vor allem m Deutschland großes Staunen darüber, wie gerade Osterreich hier zu einer so vielfältigen und qualitativ hochwertigen Szene kommt.

Allerdings bröckle das jetzt langsam auseinander, berichtet Autor und Kinderbuchexperte Heinz Janisch. Die allseits bekannten Kinderbuchschriftsteller produzierten immer weniger, und die neue Generation habe den großen Sprung noch nicht geschafft: „Kinderbücher werden unterschätzt”, meint Heinz Janisch. Und so mag es sich wohl auch erklären, daß ein Einsteiger in Sachen Kinderbücher (sei es nun ein Autor oder ein Illustrator) wesentlich größere Schwierigkeiten vorfindet, als jemand, der sich auch im Bereich der Erwachsenenliteratur schon profiliert hat und dann Kinderbücher schreibt, wie etwa Felix Mitterer.

Übrigens: Entgegen anderslautenden Ansichten gibt es sehr wohl Kinder, die gern und viel lesen. Diese Erfahrung macht Heinz Janisch in seinem Kinderleseclub „Kraut und Rüben”, den er gemeinsam mit Franz Lettner leitet. „Ich glaube nicht, daß die Computer die Bücher überholen”, sagt Janisch. Einen Mangel ortet er im Fehlen von fremdsprachiger Kinderhteratur in Österreich, etwa von Büchern in türkischer Sprache.

Gerade im Bereich multikultureller Aktivitäten für Kinder herrsche großer Bedarf, stellt auch Ulli Plichta vom „Kleinen WUK” (Werkstätten-und Kulturhaus in Wien) fest. Sie will mit dem Kinderkulturprogramm, das sie zusammenstellt, einerseits einfach unterhalten, andererseits aber etwas dafür tun, daß eine neue Generation kritischer und bewußter Bürger heranwächst. Allerdings setzt sie dabei weniger auf Pädagogisieren, sondern mehr auf Spaß und Begegnung - mit anderen Kulturen genauso wie mit verschiedenen Künstlern.

Sowohl in Österreich wie auch im deutschen Sprachn^m generell liegt einiges im argen, was Filme für Kinder betrifft. Gute Kinderfilme sind, wenn überhaupt, eigentlich nur in den jeweiligen Landeshauptstädten zu sehen. „Schuld daran sind die Kinos”, sagt Ralph Wieser von der Filmbühne Mödling und Mitorganisator des Kinderfilmfestivals, „die zieren sich, weil damit nicht auf Anhieb so viel Geld zu machen ist. Die Bedeutung des Kinderfilms wird geringgeschätzt.” Die Tatsache, daß es überhaupt ein eigenes Kinderfilmfestival gibt (heuer im Rahmen der Viennale) und daß da auch andere Filme als Disney & Co. gezeigt werden, soll dazu beitragen, hier das Bewußtsein zu verändern.

Seit zwei Jahren entscheidet in Mödling eine Kinderjury darüber, welche Filme mit nem Preis ausgezeichnet werden. „Man kann auch den Kindern selbst einiges zutrauen, sie bewältigen auch schwierige Themen durchaus”, sagt Ralph Wieser, „das wirklich Schlimme ist das vordergrundig-kmdeitümelnde.”

Eine Einschätzung, die wohl für die gesamte Kinderkultur gilt.

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