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Achtung: Korruption!
Die Uberraschungsaktion der Wirtschaftspolizei gegen korrupte Baumethoden in vielen Bundesländern hat einen tiefen Schock ausgelöst. Erfreulich dabei ist, daß es Beamte der Finanzverwaltung waren, also öffentlich Bedienstete, die den Anstoß zu einem Reinigungsprozeß gaben, den viele kritisch denkende Staatsbürger lange erhofft, aber vielleicht nicht mehr erwartet haben. Erfreulich und vielversprechend ist das Echo in der Öffentlichkeit.
Der Wähler weiß genau, daß seit Jahren von gewissen Leuten Sand ins Getriebe eines empfindlichen Wirtschaftsprozesses gestreut wird, den wir soziale Marktwirtschaft nennen.
Es sind Leute aller Gruppen darunter, solche, die es bewußt tun, solche, die ihren Egoismus über alles stellen, andere, die in den Sog eines Zustandes hineinschlitterten, die sich lange dagegen wehrten, die sogar unter Druck gesetzt wurden und dann glaubten, mittun zu müssen, weil sie nicht untergehen wollten. Wer will schließlich auf die Dauer der Untüchtigkeit geziehen werden?
Für Formaljuristen und Rechtr,- positivisten, für öffentliche und halböffentliche Verwalter war ohnehin immer alles in bester Ordnung, die Spatzen pfiffen es zwar anders, aber das rührte sie nicht. Sie sagten: Die Marktgerechtigkeit sei ja immer vorhanden, der Billigste bekomme den Zuschlag, und im übrigen helfe sich jeder, wie er kann.
Und da haben sie sich geholfen. Jeder auf seine Weise, alle aber mit Ellbogentechnik, vom Direktor des Großbetriebes angefangen bis zum Einzelunternehmer, der rasch noch größer werden wollte (dem Großbetrieb gehöre doch die Zukunft) bis zum öffentlichen und halböffentlichen Bediensteten (es könnten ja. die Gehälter besser sein).
Was sind nun die tieferen Ursachen, daß es soweit in einem Staat kommen konnte, der sich doch nicht zum Balkan zählt?
Korruption macht sich überall dort breit, wo die Marktwirtschaft durch eine staatliche Bedarfsdeckungswirtschaft verdrängt wurde. Die Bauwirtschaft ist aber schon zu 80 Prozent von öffentlichen und halböffentlichen Dienststellen abhängig — vom grauen Markt abzusehen, den sich der Arbeiter reserviert hat. Für keinen Zweig der Wirtschaft wäre die Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft“ so treffend wie für die Bauwirtschaft. Sicher versteht sich aber Soziale Marktwirtschaft anders, als dies der oben zitierte Personenkreis wissen wollte. Sie bedarf der Vielschichtigkeit und des Funktionierens der einzelnen Teilbereiche für das Ganze. Sie setzt eine Gesinnung, eine höhere Wertordnung, ein Nebeneinander und Füreinander voraus, sie setzt Gerechtigkeit voraus, die immer auf den Nebenmenschen bezogen ist.
Und dagegen haben diese Herrschaften bewußt oder unbewußt gesündigt.
Aber: was die Öffentlichkeit dem heutigen Bauunternehmer zumutet, nämlich die Überwälzung des ganzen Risikos zu Schleuderpreisen, während das Baugeschehen in Ämtern, Bauabteilungs-, Architektur- und Statikerbüros manipuliert, aber nicht koordiniert wird, ist in sich korrupt. Der Bauunternehmer hat fast nichts mehr zu reden, er hat nur noch das ganze Risiko zu tragen. Die Stellung des Bauunternehmers läßt sich mit einer freien Gesellschaft kaum mehr vereinen. Er ist versucht, sich den Bauleiter auf der Auftraggeberseite gewogen zu machen, sei es denn mit unredlichen Mitteln.
Dieser Zustand ist eine Sünde gegen die soziale Ordnung und gegen die Gerechtigkeit. Im Namen derer, die jeden Tag ohne Sonderzuwendungen ihre Pflicht tun, die nicht gemanagt werden, erhoffen wir von den Juristen, daß sie die Schuldi- , gen bestrafen und nichts vertuschen; und von den Verwaltungsbeamten, daß sie dieser Gebarung einen Rie- . gel vorschieben; und von den Tech- , nikern und Baufachleuten, daß sie ihre Sache endlich ins Lot bringen.
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