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Verewigter Klassenkampf
DEK GROSSE PROZESS. Von Winfried Brnckner und Kurt H (1 r 1 fe Verlag Jungbrunnen Wien. 144 Seiten, viele Bilder und eine Zeittafel. Preis S.
DEK GROSSE PROZESS. Von Winfried Brnckner und Kurt H (1 r 1 fe Verlag Jungbrunnen Wien. 144 Seiten, viele Bilder und eine Zeittafel. Preis S.
Eine Geschichte der „Arbeiterschaft“ zu verfassen bleibt selbst dann ein lobenswerter Gedanke, wenn, wie im vorliegenden Falle, bis zu Thomas Paine, also 200 Jahre zurückgeblendet wird, wiewohl 1848 der richtigere Ausgangspunkt wäre. Soll aber nur vom Kampf der Schwachen gegen die Starken gesprochen werden, dann müßte man poch viel weiter ausholen. „Das ist kein gewöhnliches Buch“, sagt die Einleitung, und das ist wahr, denn die Verfasser zielen nicht auf Frie den, nicht auf Koexistenz, nicht auf Versöhnung, sondern auf Auffrischung des Klassenkampfes in Form einer Einladung zur Auflehnung gegen Staatsgewalt, Exekutive, Gerichte, überhaupt gegen alle jene, die eben gerade die Mächtigen sind. Man findet keinen Trennungsstrich zwischen dem politischen Privatmörder und dem pflichtgemäß tötenden Soldaten, und dazu wird Friedrich Adler zitiert: „Ich bin schuldig in demselben Maße wie jeder Offizier, der im Kriege getötet oder Auftrag zum Töten gegeben hat.“ Das kann natürlich kein Rezept für die neue Zeit sein, ln der doch der Sozialismus sich schon erfüllt hat und daher nicht mit überalterten Methoden arbeiten darf.
Das Buch ist reich an Bruchlinien und Widersprüchen, gar viele Dinge werden, weil wirksam, mit dem Sozialismus identifiziert: was haben aber schon Sarajewo 1914, die 4. Teilung Polens, die französische Resistance oder der Fall Dreyfus mit der Arbeiterfrage zu tun? Man könnte in Fortsetzung solcher Betrachtung weiter fragen, woher kommt der indisch-chinesische Gebietsstreit oder die Angliederung Neuguineas? War übrigens der Nationalsozialismus keine Arbeiterbewegung? Wieso nahm alles nach den beiden Weltkriegen ganz ähnlichen Verlauf auch nach dem Sturz von Monarchien, Adel, Klerus und anderen als reaktionär bezeichneten Einrichtungen, denen der ganze Haß des „Großen Prozesses“ entgegenklingt?
Trotz all dieser Einwände gegen die gewählte Darsteilungsart, die keine wissenschaftliche 1st, sondern dem System politischer Flugschriften folgt, muß zugegeben werden, daß hier eine nicht zu übersehende Mahnung an die Verantwortlichen unserer Zeiten in Staat und Gesellschaft vorliegt. Wie in der Vergangenheit keineswegs die „Arbeiter“ ihre Geschichte mit Blut geschrieben haben, sondern ganz allgemein alle „Klassen“, so könnten in Zukunft, die den „Arbeiter“ alter Prägung gar nicht mehr kennen wird, neue Unzufriedene, die es in allen Spielarten wieder reichlich gibt, die Faust ballen, sich erheben und den „Großen Prozeß“ auf der alten Bühne fortsetzen. Dies zu vermeiden oder wenigstens einzudämmen könnte vielleicht möglich sein, wenn man Bruckner- Horak besinnlich studiert und die Lehre daraus zieht, daß es beim Regieren eine Prophylaxe geben sollte.
Es wäre dringend nötig, daß sich ein Sozialhistoriker nichtmarxistischer Richtung, der nicht nur ins Vorgestern, sondern bis ins Übermorgen zu blicken versteht, dazu entschließt, den „Großen Prozeß“ einmal streng wissenschaftlich zu bearbeiten, denn gerade dieses Kapitel der Weltgeschichte war bisher hauptsächlich die Domäne marxistischer Literatur, daher einseitig gesehen.
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