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Chancen, die historisch sind

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,,Erfolge - Probleme - Chancen“ - so der Titel einer 212 Seiten starken neuen Broschüre des Finanzministeriums. Sie verkauft die „Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und des Hetrn Finanzministers zur wirtschaftlichen Lage“ und den „Bericht der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Lage der österreichischen Wirtschaft“ an den Nationalrat der Öffentlichkeit ein zweites Mal.

Historisch Großes muß wiederholt werden.

Denn alle diese Erklärungen könnte man auch in den stenographischen Protokollen über die Sitzungen des Parlaments vom 16. und 17. Juni 1977 nachlesen. Die Vollbeschäftigungspolitik der Regierung beginnt eben konsequent gleich in der Staatsdruckerei. Die stenographischen Protokolle enthalten wenigstens noch die Kritik der beiden Oppositionsparteien an diesem Wirtschaftsbericht. In dieser Broschürefehlt natürlich die Kritik. Irgendwo mußte, man ja sparen.

Trotzdem muß die Opposition der Regierung dafür danken, daß sie diesen Bericht jetzt veröffentlicht hat. Sie konnte ihn in der Parlamentsdebatte vom 17. Juni 1977 gar nicht so gut widerlegen, wie dies bis heute der Zeitablauf von nur zwei Monaten getan hat.

Zum Beweis dafür einige äusge- wählte Zitate: „Der Bundesvoranschlag 1977 war daher Ausdruck eines vorsichtigen Budgetkurses“ steht da auf Seite 83 zu lesen. Seit Ende Juli wissen wir, der Finanzminister hat die Einnahmen wieder über- die Ausgaben unterschätzt. Im ersten Halbjahr fehlten so etwa sechs bis acht Milliarden Schilling, das Defizit wird jetzt wohl 50 Milliarden Schilling betragen.

Noch größer ist der Widerspruch zwischen sozialistischer Regierung und sozialistischer Notenbankspitze. Im Regierungsbericht heißt es: „In der Wechselkurspolitik ersetzte die Notenbank imJulil976 die inoffizielle Bindung an die europäische Währungsschlange durch eine ver stärkte Bindung an die D-Mark.“ Am 22. Juli 1977 „betonte Nationalbankgeneraldirektor Dr. Kienzl gegenüber der AZ, daß von einer Bindung an die D-Mark nicht gesprochen werden könnte“.

Dazu sagte Minister Androsch in seinem Bericht an das Parlament, daß es zur derzeitigen Wechselkurspolitik „keine erkennbaren vernünftigen Alternativen gibt“ (Seite 33). Also war Bundeskanzler Kreiskys Interview, in dem er die Politik des „beinharten Schillings“ ablehnte, unvernünftig?

Dies Büchlein ist noch voll von vielen zitierbaren Stellen mit sehr aktuellem Bezug, wie etwa dem Hinweis auf den Wegfall der Autosondersteuer. Dafür stand aber im Kapitel Gesundheitspolitik nichts zur Spitälerfinanzierung.

Zusammengefaßt: Ein problematischer Erfolgsbericht mit Chancen, die schon historisch sind. Vielleicht könnte man ihn 1978 einsparen?

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