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Der Sand rinnt

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„Geduld” fordert jede Regierung der Welt, der man Mangel an Reformen vorwirft. ,J.n ein paar Jahren ist alles besser”, versprechen die linken Sandinisten in Nikaragua und die Christdemokraten in El Salvador, die sozialistische Regierung von Simbabwe und das weiße Regime in Südafrika.

Aber die Geschichte verweigert ihnen allen diese Geduld. Das Tempo der Entwicklung, beschleunigt vor allem durch die massenmediale Weltrevolution, hat eine Eigengesetzlichkeit erreicht, aus der es kein Entrinnen gibt.

Die Klagen darüber, daß Entwicklungsländer heute in Jahrzehnten schaffen sollen, wozu die Völker Europas Jahrhunderte gebraucht haben, sind müßig. Entweder der wahnsinnsnahe Trapezakt gelingt — oder der Absturz ins Chaos ist vorprogrammiert.

Kaum ein anderes Land bekommt dieses dramatische Gesetz derzeit gnadenloser zu spüren als Südafrika. Daß die 22 Millionen schwarzen Bürger für ein volldemokratisches System nicht vorbereitet sind, steht außer Zweifel. Aber daß das weiße Regime die für-schrittweise Reformen noch verfügbare Zeit überschätzt hat, ist nun auch klar geworden.

Seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes in 36 von 256 Verwaltungsbezirken am 21. Juli wurden mehr als 1300 Personen verhaftet, nur ein Bruchteil von ihnen wieder freigelassen; 10.000 waren schon vorher festgenommen worden..

Die Gewalttätigkeiten haben zwar nicht das von manchen Medienberichten suggerierte Ausmaß angenommen, aber an die 500 bei Massenunruhen getötete Männer, Frauen und Kinder sind ein Alarmzeichen, das Verharmlosung nicht verträgt.

Ungefähr ein Viertel von ihnen sind ,Jiystemschwar-ze” - Polizisten, Stadträte, Wirtschaftstreibende, die von radikalen Schwarzen für Kollaboration” bestraft worden sind.

Nun rächt sich bitter, daß die südafrikanische Regierung nie zwischen Menschenrechten und demokratischen Bürgerrechten unterschieden hat. Auf ein Westminister-Parlament hat nicht jedermann über Nacht Anspruch, auf einen frei gewählten Wohnsitz.Leben mit der Familie, Heimat- und Bewegungsrecht aber sehr wohl.

Es ist fraglich, ob für solche Unterscheidungen nun noch Zeit bleibt. Staatspräsident Pieter Botha wird für den „nationalen Dialog”, den er diese Woche endlich proklamieren will, wohl auch ein Modell für eine politische Repräsentanz den schwarzen Mitbürgern anbieten müssen. Für gemäßigte Schwar-zenführer rinnt der Sand im Uhr glas aus.

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