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Die Grünen und Religion

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„Die Grünen wollen keine christliche Partei sein, und es hat auch keinen Sinn, sie dazu zu ernennen. Sie verstehen sich selbst als Zusammenschluß durchaus unterschiedlicher Bewegungen und geistig-politischer Strömungen, die sie am gemeinsamen Handeln erstaunlicherweise nicht restlos hindern“ (Hans-Hermann Wiebe).

Die elf persönlichen Skizzen und Reden dieses Buches reichen vom ermutigenden, ungebrochenen christlichen Selbst- und Weltverständnis der Bäuerin und Bundesversammlungs-Mitgliedes Dora Flinner („Die Erde ist des Herrn“) über die politisch-religiösen Beiträge der langjährigen Sprecherin der Grünen Petra Kelly („Widerstehen der Versuchung zum Haß und zur Gewalt“), die schwärmerischen Gedanken der ehemaligen Abgeordneten Karin Zeitler („Unser Ziel ist das Paradies auf diesem geliebten Planeten“?!) bis hin zum kühl ablehnenden Standpunkt eines Thomas Ebermann, Mitglied des Fraktionsvorstandes der Grünen im Bundestag („Mit. dem Schmonzes will ich nichts zu tun haben“).

Die „Innenansichten“ der Zeugnisse werden ergänzt durch „Außenansichten“ in Aufsätzen zum Thema.

Die grüne Bewegung an sich ist sichtbarer Ausdruck für die Krise des einseitig rational-technischen Weltbildes. Es ist daher nicht verwunderlich, daß das „New-Age-Syndrom“ mit seinen vielfältigen Ausprägungen zur tragenden ideologischen Grundströmung der Grünen wurde. Der Begriff des Lebens ist in den Programmschriften der Grünen zentral.

In Verbindung mit den Werten der Gewaltfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit und der Einordnung des Menschen in die Kreisläufe der Natur bildet sich ein politisches Welt- und Stimmungsbild, das auch für Christen sehr anziehend sein kann. Mehrere Autoren sehen in diesem Ansatz — trotz zahlreicher Widersprüche — die Grundlage für das politische Handeln der Christen bei den Grünen. Erfreulich klar wird der Begriff der „Natur“ aus verschiedener Sicht einer Kritik unterzogen: Nicht Mystifizierung oder Sakralisierung (A. Bernstorff) von Natur, sondern nüchterner, biblischer Schöpfungsglaube — weltlich ausgedrückt: Natur als Aufgabe — wird gefordert.

„Wenn der Mensch sich auch nicht einseitig als Herr über die Natur verstehen sollte, so kann erst recht nicht die Natur als Herr über den Menschen verstanden werden“ (Wiebe).

Nach der Lektüre erübrigt sich jeder Gedanke daran, daß die Grünen der Bundesrepublik vielleicht eine christliche Partei sein könnten oder wollten. Auch zahlenmäßig sind die 900 „Christen bei den Grünen“ eine verschwindende Minderheit unter den derzeit 40.000 Mitgliedern.

Der wesentliche Beitrag der Christen wäre es, Christus als den auferstandenen Herrn der Geschichte zu verkünden, damit „die rosaroten Zeiten des New Age nicht in eine Eiszeit führen“ (G. Küenzlen), in der eine grenzenlose Selbstbestimmung gar noch religiös-programmatisch überhöht würde. „Daß das Versprechen eines wahren, erfüllten, sinnvollen Lebens die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens ist, macht das Neue Testament deutlich“ (Wiebe). Bei aller Buntheit der Anschauungen ist das ein guter Ausklang. Hoffentlich wird er immer mehr bei den Grünen verstanden — vielleicht auch bei den Grünen in Österreich.

DIE GRÜNEN UND DIE RELIGION. Herausgegeben von Gunther Hesse und Hans-Hermann Wiebe. Athenäum Verlag, Frankfurt/Main 1988. 302 SeitenT

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