Lampedusa: Europas Ohnmachts-Politik der Auslagerung

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Auf der Mittelmeerinsel zeigt sich einmal mehr, dass Europa mit seinem Konzept der Externalisierung migrationspolitischer Kontrollen und Restriktionen gescheitert ist. Ein Gastkommentar.

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Auf der Mittelmeerinsel zeigt sich einmal mehr, dass Europa mit seinem Konzept der Externalisierung migrationspolitischer Kontrollen und Restriktionen gescheitert ist. Ein Gastkommentar.

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Vergangenen Juni pilgerte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, begleitet von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, nach Tunis, um den dortigen Präsidenten Kais Saied davon zu überzeugen, dass sein Land für die EU doch die Rolle des Grenzpolizisten übernehmen möge. Mitte September reisten die beiden Damen nun nach Lampedusa, um sich ein Bild von der dortigen Lage zu machen. Die italienische Insel, lediglich 138 Kilometer von Tunesien und somit von der nordafrikanischen Küste entfernt, sieht sich nämlich wieder einmal mit einem Ansturm illegaler Migrantinnen und Asylsuchenden konfrontiert. Der vor dem Sommer angekündigte Migrationspakt mit Tunesien zeigt also keine Wirkung. Die in Aussicht gestellte Milliarde Euro hat – wieder einmal – nicht das bewirkt, was man sich in Brüssel und Rom erwartet hatte: die unangenehme „Flüchtlingsabwehr“ fernab der eigenen Außengrenze.

Dabei hat die sogenannte externe Migrationspolitik der EU in den letzten beiden Jahrzehnten eine große Zahl unterschiedlicher Instrumente und Abkommen entwickelt, die die Tendenz zur Externalisierung zunehmend verstärken und zu einer Verlagerung migrationspolitischer Kontrollen und Restriktionen in Drittstaaten führen sollten.

Fokus auf „Abwehr“ statt Demokratie

Zu Beginn noch mit einer Perspektive zur legalen Zuwanderung kombiniert, setzt man heute faktisch nur noch auf finanzielle Anreize bei Wohlverhalten. Als solches gilt, irreguläre Abwanderung einzuschränken und jedenfalls Menschen zurückzunehmen, die das Land auf diesem Weg verlassen haben. Dies soll in jeweils rechtlich bindenden Rückübernahmeabkommen festgeschrieben werden. Auch die früher immer prominent angekündigten Transformationsagenden treten in den Hintergrund. Der Fokus auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit scheint nicht mehr dieselbe Bedeutung einzunehmen. Wichtig erscheint vielmehr die Bereitschaft, bei der „Abwehr“ illegaler Migration mitzuwirken. Dass damit gleichzeitig auch die Hemmschwelle für die migrationspolitische Kooperation mit autoritären und fragilen Staaten sinkt, wird dabei in Kauf genommen.

Angesichts dieser etablierten externe Migrationspolitik der EU überrascht der von Ursula von der Leyen verkündete „10-Punkte-Plan für Lampedusa“ nicht wirklich. Altbekanntes wird da als innovative Lösung verkündet. Dass kein einziger der zehn Punkte auch nur ansatzweise dazu geeignet ist, die aktuelle Situation auf Lampedusa nachhaltig zu verändern, wird von der Öffentlichkeit nicht einmal mehr wahrgenommen. Da sollen etwa Menschen von Lampedusa in andere EU-Mitgliedstaaten überstellt werden – einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus nutzend, der so nicht funktioniert und in der Realität auch nicht zur Anwendung kommt. Da wird eine Intensivierung der Rückkehroperationen mit wichtigen Herkunftsländern genannt und man verweist dabei etwa auf Burkina Faso. Wohl wissend, dass dieses Land mit seiner russlandfreundlichen Regierung nach dem letztjährigen Putsch keinerlei Interesse hat, mit der EU auch nur über irgendetwas zu reden. Wer solche Maßnahmen verkündet, begeht politischen Etikettenschwindel.

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