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Neues aus dem Norden

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Aus dem Norden kommen neue Botschaften: In Schweden haben dieselben Sozialdemokraten, die den Wohlfahrtsstaat erfunden und mit der Idee des „Volksheims” jahrzehntelang perfektioniert haben, nun am radikalsten damit begonnen, ihn wieder abzubauen.

Ähnliches hört man aus Dänemark. Dort hat sich die sozialdemokratische Jugendorganisation an die Spitze einer Reformbewegung gesetzt und fordert mit provokanten Thesen das Establishment der eigenen Partei heraus.

Wirtschaftspolitisch verfolgen diese jungen Wilden der Sozialdemokratie Ideen, die man heute grob als neoliberal bezeichnet: Ein Rentensystem, das der jungen arbeitenden Generation die Erhaltung der Alten und zugleich die Vorsorge für ihr eigene Pension auflastet, sei nicht mehr zu halten. Ein realer, wenn auch schlecht bezahlter Job sei immer noch besser als ein System ständiger Umschulung und Neuqualifizierung von Arbeitslosen, die dann doch keine Stelle bekommen. Die Eigenverantwortung müsse wieder mehr Platz bekommen, staatliche Sozial-leistungen sollten nur noch für die da sein, die sie wirklich brauchen.

Von den wirklichen Neoliberalen, denen das Schicksal des einzelnen herzlich gleichgültig ist, unterscheiden sich diese jungen Revoluzzer freilich sehr. Statt Bevormundung der Menschen und Verstaatlichung aller Lebensbereiche wollen sie alte Ideale der Arbeiterbewegung wieder beleben: Selbsthilfe, Solidarität, Gemeinschaftssinn, Selbstverwaltung, Verantwortungsbewußtsein, Anständigkeit.

Auch in der österreichischen Sozialdemokratie sind jetzt Leute an den Schaltstellen der Macht, die ähnlich denken wie manche ihrer skandinavischen Genossen. Auch sie werfen manchen ideologischen Ballast über Bord. So spricht etwa der neue Bundesgeschäftsführer ganz ungeniert davon, daß der „Kapitalismus gesiegt hat” und nun die Gesetze der Marktwirtschaft herrschten. Er fordert sogar eine neue Hochschätzung der Familie.

Das trifft sich auffallend mit Nachrichten, die uns aus Deutschland zukommen. Dort hat eine Umfrage ergeben, daß die jungen Leute nicht jene herzlosen Egoisten sind, die nur Karriere und „schnelles Geld” im Sinn haben. Efrrrlichkeit, Höflichkeit und Zuvorkommenheit (!), Bereitschaft zu Verzicht, aber auch Vergebung und Nachsicht mit anderen rangieren als oberste ethische Grundsätze.

Idealisieren muß man diese Jugend natürlich auch nicht, aber immerhin nennt sie die Hamburger „Zeit” eine „moralische Generation”.

Ich habe die Vermutung, daß diejenigen Politiker die Zukunft (und diese Jugend) haben werden, die nicht immer nur neue Versprechungen machen, sondern sich trauen, den Menschen etwas abzuverlangen.

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