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Ethik ist unerläßlich

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„Kann sich die Wirtschaft Ethik leisten?“ -- Bericht über einen Clubabend, den die FURCHE und die Raiffeisenlandesbank Wien und Niederösterreich veranstalteten.

Für Rudolf Weiler, den Professor für Sozialethik an der Universität Wien, der neben Generalabt Gebhard Koberger vom Stift Klosterneuburg, Präsident Karl Gruber von der Raiffeisen-Landesbank und Christof Gaspari, Redakteur der FURCHE, an diesem Abend das Podium bildete, ist das Erwachen des ethischen Bewußtseins unter den Verantwortlichen in der Wirtschaft eine große

Chance, die Arbeitswelt weiter zu vermenschlichen.

Der Mensch solle noch mehr zum Mittelpunkt dieser Welt werden. Der Markt sei nicht seinem Wesen nach — so Weiler — Schnittpunkt der individuellen Egoismen, sondern bietę die Chance, Ort echter Begegnung von Menschen zu werden.

Die Diskussion zeigte allerdings klar, daß unser Denken sehr stark vom sogenannten Ökonomismus, also einer Überbewertung der wirtschaftlich relevanten Fakto ren, geprägt ist. Dieser Ökonomismus sollte aber durch ein neues ethisches Bewußtsein überwunden werden, um die von Weiler formulierten Chancen wahrzunehmen.

Das Ziel scheint allerdings noch nicht in unmittelbarer Nähe zu sein. Der unter wirtschaftsorientierten Menschen weitverbreitete ökonomistische Denkraster führt dazu, daß bei der Wahrnehmung . der Wirklichkeit vor allem das aufgenommen wird, was im voraus als wirtschaftlich relevant erscheint.

Dabei kommt es leicht zu einer Umkehrung von Zielen und Mitteln: Gewinn, Umsatz, Absatz, Rationalisierung, Konsum, Befriedigung eigener Bedürfnisse können dann als vorrangiges Ziel, der Mensch aber leicht als Mittel behandelt werden.

Ein konkretes Anzeichen für ökonomistische Denkweise zeigte sich bei der Veranstaltung selbst in den ablehnenden Reaktionen auf einige provokante Behauptungen von Christof Gaspari.

Er bezog die Rahmenbedingungen des Systems in die ethische Reflexion ein und stellte etwa die

Frage, ob nicht das Leistungsdenken den Egoismus schüre; ob es konsequent sei, einerseits den Konsumismus zu beklagen, andererseits aber festzuhalten an einem System, das Verzicht verpönt und auf immer größer werdenden Konsum angewiesen ist; ob Rationalisierung nicht allzuoft eine pseudowissenschaftliche Rechtfertigung für die schwer zu lenkende Eigendynamik des Systems sei.

Gerade Unternehmer und Manager, die mit großem Einsatz und Fleiß eine Anpassung auch an schlechte wirtschaftspolitische Bedingungen schaffen, sind gewöhnlich gegen Reformen. Und dabei lehrt die Geschichte, wie gut echte Unternehmer gerade den Wandel meistern.

Es wurde argumentiert, man könne sich nicht über die Gesetze der Wirtschaft hinwegsetzen, sogar die Ethik müsse diese Regeln akzeptieren. Es fragt sich allerdings, welche Art von Gesetzen hier gemeint ist. Der Vergleich mit den Naturgesetzen ist sicherlich verfehlt. Denn die sogenannten Wirtschaftsgesetze sind aus der Natur des Menschen, der einen freien Willen besitzt, abzuleiten, und sie werden von Menschen in der Politik geschaffen.

Ethische Überlegungen dürfen sich nicht auf soziale Reformen allein konzentrieren. Es sind nämlich, wie Weiler betonte, sowohl individual- wie sozialethische Tugenden wichtig. Man kann sie nicht voneinander trennen. Gefordert ist daher die Bereitschaft des einzelnen zu individualethischen Tugenden (Loyalität, Starkmut oder Maßhalten), wie zu sozialethischen (Gerechtigkeit, Solidarität...).

Gaspari vertrat die Überzeugung, daß in manchen Situationen ethisches Verhalten im Alleingang schwer zu verwirklichen sei. Die Bildung von Gruppen, die den einzelnen stärken, würden da eine große Hilfe bieten, gegen den Strom zu schwimmen.

Neben solchen Gruppen ist auch die Funktion von Vorbildern sehr wichtig. Dies zeigte Karl Gruber am Beispiel von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Begründer des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens, auf. Raiffeisen begründete ein Konzept, das bereits mehr als 100 Jahre alt ist, sich aber heute noch als funktionstüchtig erweist.

Es verbindet die Forderung nach ethischem Verhalten des einzelnen mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Solidarität. Der Erfolg von Raiffeisens Idee liege darin, daß die kleine Gruppe und die überschaubare Einheit ohne Aufgabe ihrer Selbständigkeit sich doch dem Ganzen verpflichtet fühlt. Diese Polarität ist einer der Gründe für den Erfolg, den das Genossenschaftswesen auch heute noch hat.

An die Aussagen des Konzils schließlich erinnerte Gebhard Koberger. Das Zweite Vaticanum hat ja den Laien die Kompetenz für die irdischen Belange zugesprochen. Das bedeutet eine große Herausforderung für die Laien, die nicht damit rechnen dürfen, daß eine religiöse Instanz ihnen die Aufgabe abnehmen kann, in der Wirtschaft ein starkes und wirksames ethisches Bewußtsein zu verankern.

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