7000024-1987_22_03.jpg
Digital In Arbeit

Korruption im Kleinen

Werbung
Werbung
Werbung

Wachstum ist notwendig, um mehr Arbeit, um mehr Menschenwürde zu schaffen. Die Weltwirtschaft steht unter einem Dilemma: Die Ressourcen werden knapper, die Arbeit wird weniger (= die Arbeitslosenraten steigen). Die Produktlebenszyklen werden kürzer, die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen müssen * * steigen. Ein Circulus vitiosus?

Ja, wenn ein Wirtschaftskörper oder eine Volkswirtschaft das Problem in sich geschlossen zu lösen versucht. Die Antwort liegt im Nein: Nur durch Zusammenarbeit (mit anderen Firmen im selben Bereich, mit anderen Industrien, anderen Volkswirtschaften, anderen Wirtschaftssystemen), durch Ergänzen („Stick to the Knitting“ , jeder soll das tun, was er am besten kann) ist dieser Kreis zu durchbrechen.

Wachstum muß nicht verdrängen, es kann auch komplementär anregen, leben lassen. Nur die Wirtschaftskörper, die ihre Mitarbeiter ausreichend motivieren können, ihnen genug Vision geben, ihnen genug Erfüllung ermöglichen, werden langfristig Erfolg haben.

Also: Motivation, Transparenz, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Freude ermöglichen Lob und Anerkennung (siehe das „Commandment“ des „One Minute Ma-

nagers“ ). Menschenwürde, also alles zutiefst ethische Werte, führen zu betriebswirtschaftlichem Erfolg.

Firmen, die das erkannt haben, Manager, die das erkannt haben, sind die erfolgreichsten, nicht solche, die „über Leichen gehen“ . Diese Werte sind wichtiger zum Erfolg als technologischer oder finanzieller Vorsprung, Organisationsstrukturen, Innovation und Timing.

Ich behaupte, in guten Firmen (und davon gibt es genug, die schlechten hingegen werden sich auch nicht langfristig an dieser Wahrheit vorbeischwindeln können) gibt es genug Freiheit auf jeder Unternehmensebene, eigene Werte zu leben. Also die Ausrede: „Ich kann ja nicht so, wie ich möchte!“ spiegelt nur mangelnden eigenen Willen, mangelnde eigene Vision, mangelnden Erfolg wider.

Ich teile hier die Meinung von Manfred Leeb (übrigens einem der erfolgreichsten österreichischen Manager und Sanierer) in seinem Referat „Moral und Wirtschaft“ , daß „im täglichen Geschäftsleben unter den Bedingungen der sozialen Marktwirtschaft Moral eine Voraussetzung für Erfolg auf Dauer ist“ .“

Ist mangelnde Wirtschaftsethik ein spezifisch österreichisches Problem?

Nein, keineswegs. Sünder gibt es überall, aber Sünde ist wohl öfter individuelle Nichtüberein-

Stimmung mit dem eigenen Gewissen als Kollektivschuld. Aber eine besondere Eignung zu unethischem wirtschaftlichem Verhalten kann man unserem Vaterland wohl nicht absprechen. Erinnern wir uns doch an Bauring, WBO, AKH, Weinskandal, Bautenministerium, Lucona, Rabel- bauer et cetera! Aber nicht nur diese — Gott sei Dank! — auf gedeckten Skandale stören mich, sondern diese vielen „kleinen Sümpfe, die nicht der Rede wert sind“ , von denen ich in meinen internationalen Berufserfahrungen anderswo nicht so viele vorgefunden habe.

Mit Unmoral kann man mangelnde fachliche Qualifikation nur kurzfristig überdecken, nicht lösen!

Tüchtigkeit als Legitimation, Professionalität als Voraussetzung! Was für einen Mitarbeiter langfristig zählt, sind Ergebnisse. Und Ergebnisse lassen sich nicht langfristig türken: Nehmen Sie die Bestechung. Besteche ich einen Untergebenen, so bin ich dran, wenn es sein Vorgesetzter erfährt. Wird er selbst damit zum Vorgesetzten, wird er so wenig von mir halten, daß er mich das nächste Mal nicht beteilt!

Zuerst muß ich sagen, daß ich mich bemüht habe, seit meinem Eintritt in das Berufsleben obige Werte anzuwenden. Anfangs mit Schüchternheit, später mit aus Erfahrung gewonnenem Selbstbewußtsein, letztlich fast als Rufer (in der Wüste?).

Bisher hat es meinem beruflichen Fortkommen nicht geschadet, eher genützt. Ich habe das Gefühl, mich noch nicht genug „an der Realität abgestoßen“ zu haben, bin voll ungebrochenem Willen, in diese Richtung weiterzutun. Ich habe die „Sturm- und Drangphase“ noch nicht verlassen.

Welche Ansprüche versuche ich an mich zu stellen? (Wohl wissend, daß der, der am lautesten redet, nicht immer der Gerechte ist!)

• Den Anspruch an die eigene Professionalität. „Tüchtigkeit als Legitimation“ . Persönliche Autorität kann nur aus fachlicher Autorität strömen.

• Ein radikaler Anspruch an meine persönliche Moral: Ich fordere von meinen Mitarbeitern radikale Ehrlichkeit im Umgang miteinander, mit den Kunden, mit den Partnern. Dieses Gebüde wird nicht zum Kartenhaus, sondern zum wohlfundierten Gebäude, wenn diese radikale Ehrlichkeit von mir ausgeht, mich einschließt. Keine „Korruption im Kleinen“ .

• Die Bewältigung der dauernden Ambivalenz zwischen harten Sachzwängen, Barmherzigkeit und Toleranz. Dies erfordert oft „einseitige Güte“ , manchmal „paradox geübte Barmherzigkeit“ . Und bei konstantem, flagrantem Bruch von Vertrauen und Disziplin besonders konstantes und hartes Vorgehen.

• Der Anspruch an die Zeit für die Mitarbeiter. Wenn man persönlich sein will, Vertrauen erzeugen, bewahren, wiedergewinnen will, die „Werte managen“ möchte, dann hat man Probleme mit Time Management. Und es erzeugt Ungerechtigkeit, denen gegenüber, denen man weniger Zeit „schenken“ kann, vor allem auch der eigenen Familie.

1Den Dualismus von Leib (=r Beruf) und Seele (= Privatleben) gibt es nicht. Ich schätze es nicht, wenn Leute während der Woche meinen, sich beruflichen Zwängen, einer „systemimmanenten Unmoral“ beugen zu müssen, um dann am Sonntag in der heilen Welt der Kirche (der Familie et cetera) durch soziale und ethische Aktion auszugleichen.

Der Autor ist Generaldirektor der Austro Olivetti GmbH. Der Beitrag entstammt auszugsweise einem Referat bei der ECONOMICA 87...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung