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Euro-Protest

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Da Österreich an der Wahl zum Europa-Parlament nicht beteiligt ist, interessiert Euch wohl auch kaum, was da in Eurer westeuropäischen Nachbarschaft abläuft. Aber ich erzähle es Euch trotzdem.

Trotz wesentlich höherer Wahlbeteiligung hat die CDU gute acht Prozent der Stimmen verloren (29,6), CSU (8,2), SPD (37,3) und Grüne (8,4) konnten ihr Ergebnis von 1984 ungefähr plus-minus 0,2 halten, die FDP gewann zwar nur 0,8 Prozent dazu, aber da sie beim letzten Mal mit 4,8 Prozent hängen blieb, bedeutete der Zuwachs sehr viel, nämlich die Rückkehr ins Europa-Parlament.

Großer Sieger sind die Republikaner, die auf Anhieb zwei Millionen Wähler mobilisieren konnten und nun mit 7,1 Prozent Stimmenanteil erstmals ihr deutschnationales Phrasen- Getöse im Europa-Parlament ablassen können.

In Bayern sind aber bereits im nächsten Frühjahr Kommunalwahlen, im September 1990 Landtagswahlen und im November 1990 wählt die Republik den Bundestag. Da kann man sich vorstellen, wie den Strauß-Erben in der CSU das Grundeis geht.

Nun ist natürlich keine andere Wahl so geeignet für das Austeilen von Denkzetteln wie die Europawahl. Erstens haben die meisten Leute sowieso keine Ahnung, was die dort in Brüssel alles treiben, somit erscheinen die sechs kleinen Braunen von den „Reps“ dort kaum als größeres Risiko. Zweitens gibt es kaum eine Bevölkerungsgruppe, die nicht irgendwas an derEG-Bürokra- tie ärgert, weshalb man auch europäischen Unwillen bei einer Anti-EG-Partei abladen will.

Die meisten Fehler haben natürlich die Koalitionsparteien in Bonn gemacht. Sie haben das aus ignorierter Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Uberfremdungsängsten angestaute Protestpotential zu lange unterschätzt. Sie haben jahrelang ein „Asylanten-Pro- blem“ emotional hochgespielt ohne es lösen zu können und den „Reps“ die Basis bereitet.

CDU und CSU haben desgleichen viele Jahre gesamtdeutsche und deutschnationale Töne gegen Osten gespuckt und damit irrationale Erwartungen geweckt, aber dann haben sie doch in der Praxis eine vernünftige Ostpolitik gemacht.

Der Vormarsch der Republikaner hat zwar der CDU/CSU ammeistengeschadet, aberden Sozialdemokraten nichts genützt. Im Gegenteil, waš die SPD den schwachen Regierungsparteien abjagen konnten, haben sie gerade in konservativen Arbeitervierteln wieder an die Rechtsradikalen verloren.

Wie lange die jetzt wieder beschworene Gemeinsamkeit der Demokraten anhält, weiß man: bis zum nächsten Wahlkampf.

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