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Ezzes aus dem Kaffeesatz

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Auf den Angriff, im Magistrat der Stadt Wien würden Listen mit jenen Grundstücken, die die Gemeinde zu erwerben beabsichtige, zusammengestellt und an bestimmte private Makler weitergegeben, reagierte Bürgermeister Leopold Gratz brüsk: Alles ist Verleumdung und Wahlkampfmanöver!

Einerlei, ob sich die Existenz dieser Listen nun nachweisen läßt oder nicht: Selbst Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr hat kürzlich angeprangert, daß Grundstücke, die Wien zu kaufen beabsichtige, den Besitzern durch private Makler zu niedrigen Preisen abgelockt und dann mit Gewinnen von meist mehreren 100 Prozent an die öffentliche Hand weiterverkauft würden. Freilich liest sich diese Kritik bei ihm so: Schuld hat an all den Mißständen die Privatwirtschaft (wer sonst?), verbesserte Interventionsmöglichkeiten der öffentlichen Hand sind dringend geboten.

Die Richtigkeit dieses Konzeptes hat die FURCHE schon einmal angezweifelt. „Die“ Privatwirtschaft kann nicht verantwortlich gemacht werden. Sieht die Angelegenheit doch eher nach Kooperation zwischen öffentlichen Stellen und ganz bestimmten Privaten aus. Denn:

• Zufällig ist stets ein ziemlich exklusiver Zirkel von Maklern beteiligt, der

• zufällig immer die richtigen Grund-

stücke aufkauft, um diese kurz darauf und ganz

• zufällig der sonst nicht immer so splendiden Kommunalverwaltung zu recht anschaulichen Preisen weiterzuvermitteln.

Sollten diese Herren wirklich ihre Intimkenntnisse bei der Wahrsagerin aus dem Kaffeesatz bezogen haben? Da müssen bescheidene Zweifel aufsteigen - wie weiland bei Nestroy, dem profunden Kenner des goldenen Wiener Herzens in seiner „Höllenangst“.

Die Höllenangst geht derzeit auch im Wiener Rathaus um und richtet sich

gegen die Bemühungen um Transparenz. Dieses Wörtchen, das die Sozialisten einst so kräftig auf ihre Fahnen geschrieben haben, will nun Oppositionsführer Erhard Busek bei Leopold Gratz einfordern. Er erhebt eine Reihe von Vorwürfen:

Trotz mehrfacher Versprechungen habe Gratz noch immer nicht den Kon-trollamtsbericht über die aufklärungsbedürftigen Grundstückstransaktionen bezüglich der Marco-Polo-Gründe vorgelegt. Von einer Einschaltung des Rechnungshofes, wie es die Opposition gefordert habe, sei bisher keine Rede. Eine ausreichende Darle-

gung der Gründe für die vorzeitige Pensionierung des Gesiba-Chefs Muchna sei unterblieben. Das Verlangen, künftig dem Gemeinderat neben dem Ankaufsakt für Grundstücke auch eine Vorkäuferliste beizulegen, sei bisher auf taube Ohren gestoßen.

Gerade in der Wiener Gemeindeverwaltung ist es um die in der Theorie vielbesungene Transparenz schlecht bestellt. Symptomatisch dafür ist, daß das Kontrollamt der Stadt Wien seine Berichte nicht in Eigenregie publizieren darf, sondern diese vorher zur Zensur dem Bürgermeister vorlegen muß.

Symptomatisch ist auch, daß die Kontrollrechte der Opposition sehr ungenügend sind, gar nicht zu reden von jenen des „normalen“ Gemeindebürgers.

Dabei wäre ein massiver Ausbau der Kontrollrechte gerade in einer Gebietskörperschaft, in der eine Partei über eine gute gepolsterte Mehrheit verfügt, nicht nur eine unverzichtbare Voraussetzung für echte Demokratie, sondern auch ein Beweis der Stärke.

Mangelnde Kontrollmechanismen sowie ein Zuviel an kommunalen Wirtschaftsaktivitäten sind ein fruchtbarer

Nährboden für jede Art von Spekulation. Dies ist freilich ein Phänomen, das nicht nur in Wien zu Hause ist. Man denke nur an die vielfachen Verfilzungen, die sich in den meisten Großstädten zum Nachteil der Gemeindebürger auswirken.

Dazu kommt noch, daß sich in den modernen „Filzokratien“ alle potentiellen Korruptionen und Mißstände durch die bestehenden Gesetze gar nicht konkret fassen lassen, weil sie positivrechtlich durchaus legal erscheinen.

Hierher zählt etwa, daß parteieigene oder von Parteien dominierte Wohnbaugesellschaften bei der Vergabe öffentlicher Aufträge begünstigt werden. Oder, daß Parteifunktionäre gleichzeitig beschließende Politiker und ausführende Firmenchefs sind. Legistische Barrieren gegen all die unkontrollierten Wucherungen wären dringend am Platze.

Was freilich nicht ausschließt, daß verantwortungsvolle Politiker ihren Funktionären untersagen, in jenen Institutionen mitzunaschen, die von ihnen selbst als Kommunalpolitiker „beteilt“ werden - wie es beispielsweise der Grazer Vize Franz Hasiba für seine Partei gemacht hat. Aber die im Kampf hochgehaltene Fahne „Nieder mit den Ämterkumulierern“ lehnt inzwischen auch im Eck.

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