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Falsche und echte Ziele

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Durch einseitige Betonung einzelner, an sich wertvoller, wirtschaftspolitischer Ziele wird der strukturelle Wandel der Wirtschaft und damit auf lange Sicht auch das Erreichen dieser Ziele verhindert. Beispiel: Arbeitsplatzsicherung.

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Durch einseitige Betonung einzelner, an sich wertvoller, wirtschaftspolitischer Ziele wird der strukturelle Wandel der Wirtschaft und damit auf lange Sicht auch das Erreichen dieser Ziele verhindert. Beispiel: Arbeitsplatzsicherung.

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Es geht darum, einige Faktoren aufzuzeigen, die oft fälschlich als Verursacher der Wirtschaftsprobleme genannt werden:

Der erste Fehler wäre, generell die Investitionshöhe für die Strükturprobleme verantwortlich zu machen. In Österreich sind die Investitionen im internationalen Vergleich hoch. Österreich ist das Land mit der zweit- bis dritthöchsten Investitionsquote. Die Investitionsraten in Österreich waren auch in den siebziger Jahren höher als im Ausland. Allerdings ist innerhalb der Investitio-, nen eine Verschiebung eingetreten, und zwar von den Investitionen im unmittelbar produktiven Bereich zu öffentlichen Investitionen.

Es läßt sich klar belegen, daß der Anteil der Industrie-, Gewerbe- und Bauwirtschaftsinvestitionen gefallen, der Anteil der öf-

fentlichen Infrastrukturinvestitionen jedoch gestiegen ist. Das soll partout nicht heißen, daß alle öffentlichen Investitionen

schlecht sind.

Es ist im Gegenteil sehr erfreulich, daß gerade Mitte der siebziger Jahre die öffentliche Hand eingesprungen ist, als die private Nachfrage vorübergehend nachgelassen hatte. Langfristig gesehen wird diese Vorgangsweise jedoch zum Problem, vor allem dann, wenn die Effizienz bei den öffentlichen Investitionen nicht an erster Stelle steht.

Nicht die Investitionshöhe an sich, sondern die Struktur der Investitionen und die Vernachlässigung der sogenannten immateriellen Investitionen in Forschung, Vertrieb und Werbung sind die wahren Verursacher der Wirtschaftswachstumsprobleme.

Österreich hat eines der quantitativ bestausgebauten Systeme der Exportförderung und ein im internationalen Vergleich sehr gutes, aber kostspieliges System der Investitionsförderung. Die Ursachen für unsere wirtschaftlichen Probleme liegen daher sicher nicht in der Quantität der Mittel, die der Staat der Wirtschaft zur Verfügung stellt, sondern im qualitativen Bereich, das heißt, wir fördern keine produktiven Sparten.

Globale Finanzierungsschwierigkeiten sind nicht die Ursache für unsere Strukturprobleme. Uber den schrumpfenden Eigenkapitalanteil der Betriebe wird, laufend berichtet. Faßt man den Eigenkapitalbegriff eng, muß man von einem stark schrumpfenden Eigenkapitalanteil sprechen. Das ist klar, doch müssen wir unterscheiden: Etwas weniger stark schrumpft das Eigenkapital, wenn man es inklusive stiller Reserven und inklusive Sozialkapital definiert.

An die Stelle der Eigenkapitalfinanzierung ist quantitativ die Möglichkeit zur Finanzierung über langfristige Fremdmittel getreten. Es gibt keine Knappheit an langfristigem Fremdkapital.

Hier geht es also nicht um ein quantitatives Finanzierungsproblem, sondern darum, daß Fremdkapitalfinanzierung insbesondere in Zeiten steigender Zinsen qualitative Probleme auf wirft und eine zusätzliche Belastung darstellt. Grundsätzlich gibt es kaum Investitionsprojekte in Österreich, die an Finanzierungsproblemen gescheitert wären.

Welche Ursachen liegen nun den Wachstums- und Strukturproblemen der Industrie zugrunde, nachdem schon so viele Faktoren ausgeschieden wurden?

Meine These ist, daß es gerade die kurzfristig erfolgreiche Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele war, die das Strukturproblem verschärft hat. Ein wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel Österreichs ist der soziale Frieden zwischen den Wirtschaftspartnern. Er wurde durch die Sozialpartnerschaft erfolgreich verwirklicht.

Aber wie funktioniert die Sozialpartnerschaft? Das wichtigste Argument für eine Preisanhe-bung ist das des Kostenanstieges. Dieses Konfliktlösungsargument funktionierte in den fünfziger und sechziger Jahren und sicherte auch den sozialen Frieden in Österreich. Dieses Argument funktioniert aber nicht mehr, wenn es um Rohstoffpreisabgeltungen geht.

Steigende Rohstoffpreise dürfen kein Argument für Preisanstiege sein, zumindest nicht im vollen Ausmaß, weil Branchen, die besonders hohe Rohstoffpreise und besonders hohe Energiekosten aufweisen, im Strukturwandel schrumpfen upd ihre internen Gewinne zurückgehen müssen.

Unser wirtschaftspolitisches Ziel war die Arbeitsplatzsicherung: Dazu wurde ein System der Arbeitsmarktförderung ausgeklügelt: einerseits Kurzarbeitsentschädigungen und Umschulungen, andererseits Zinsenzuschüsse für Betriebe. Mit der Problemverschärfung in der Mitte der siebziger Jahre kam es immer mehr zu passiver Arbeitsmarktpolitik, zur Arbeitsplatzerhaltung statt Mobilitätsförderung. Die Erhaltung der Arbeitsplätze war ein wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel, seine zielstrebige Verfolgung hat aber gleichzeitig den strukturellen Wandel in der Wirtschaft behindert.

Ein weiteres Ziel war die Erhöhung der Spar- und damit der Investitionsquote. Um dieses Ziel zu

erreichen, werden verschiedene Sparformen begünstigt, wie Anleihen, Prämien-, Versicherungsund Bausparen. Osterreich hat auf diese Art die Sparquote relativ hoch gehalten und damit verfügbares Fremdkapital geschaffen. Auch diese Maßnahme hat zweifellos den wirtschaftlichen Fortschritt begünstigt, andererseits die Bildung von Risikokapital benachteiligt und die Probleme zusätzlich verschärft.

Das gemeinsame aller dieser Konzepte und Maßnahmen war, daß letztlich die erfolgreiche Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele den strukturellen Wandel nicht in Gang gebracht hat, bzw. diesen sogar behindert hat. Das heißt nicht, daß die Ziele falsch waren, sondern daß gewisse Nebenbedingungen bei der Zielerreichung vernachlässigt wurden und nunmehr die Zielerreichung zu gefährden beginnen.

Der Autor ist Industriereferent des Wirtschaftsforschungsinstituts, dieser Beitrag ein Auszug aus „Club Niederösterreich" 1/ 1982

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