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Geist des Optimismus über Israel

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In etwa zwei Wochen, am 13. Juli, will Jizchak Rabin, Sieger bei den Parlamentswahlen in Israel vom Dienstag vergangener Woche, seine Regierung der 13. Knesset vorstellen. Er wird sich sputen müssen, denn eine Regierungsbildung ist in Israel einer der allerkompliziertesten Jobs.

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In etwa zwei Wochen, am 13. Juli, will Jizchak Rabin, Sieger bei den Parlamentswahlen in Israel vom Dienstag vergangener Woche, seine Regierung der 13. Knesset vorstellen. Er wird sich sputen müssen, denn eine Regierungsbildung ist in Israel einer der allerkompliziertesten Jobs.

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Die endgültigen Wahlergebnisse liegen erst seit vergangenen Freitag vor. Aus ihnen geht klar hervor, daß der Likud, der sich an eine Rettung in letzter Minute mit Hilfe der Stimmen der Armeeangehörigen klammerte, auf keinen Fall eine Regierungsbildung Rabins und seiner Arbeiterpartei verhindern kann. Damit aber sehen sich die religiösen Parteien von ihrem Treueschwur gegenüber dem Likud entbunden und laufen nun mit fliegenden Fahnen zur Rabin über. Sie wollen die Abfahrt des Regierungszuges nicht versäumen.

Israel dürfte das einzige Land der Welt sein, in dem ein Sieg der Sozialdemokraten automatisch die Börsenkurse nach oben treibt, und in dem die Investitionen zunehmen, die Banken optimistisch werden und die Privatindustrie aufatmet und freudig in die Zukunft blickt. Denn man weiß, daß nun die Prioritäten anders gesetzt werden: anstelle von Milliardensummen, die die Regierung Jizchak Scha-mir in die besetzten Gebiete investierte, werden nun diese Gelder zum Ankurbeln der Industrie, zum Bau von Schulen und Krankenhäusern und vor allem zum Schaffen von neuen Arbeitsplätzen für die Neueinwanderer benutzt werden. Ein frischer Geist des Optimismus weht über dem Land.

Historisch gesehen ist eine Sache aber Schamir gelungen: die Verhandlungen mit den Palästinensern um einige gute Jahre zu verschleppen. In dieser Zeit wurden Dutzende neue Siedlungen in den besetzten Gebieten gebaut, große materielle Anreize jedem Neuansiedler geboten, desgleichen bedeutende Einkommenssteuererleichterungen und ähnliches. Schamir versteht die Welt nicht mehr: wie konnten so viele Wähler diese Verdienste nicht honorieren?

Eine Ära geht zu Ende

Der auf 33 Abgeordnete zusammengeschrumpfte Likud wird nach 15 Regierungsjahren nun die Oppositionsbänke drücken müssen. Führende Likud-Persönlichkeiten haben die klaren Zeichen der Zeit verstanden. Überall in den Ministerien wird die Übergabe vorbereitet; den Anfang machte der 76jährige Schamir, der sofort nach den Wahlen erklärte, er würde demissionieren, zwar nicht gleich, aber „im Laufe der nächsten Zeit". Der zweite Mann an der Spitze des Likud, Verteidigungsminister Mosche Arens (66), erklärte überraschend, er ziehe sich aus der Politik zurück. Finanzminister Jizchak Mu-dai, der vergeblich versuchte, mit einer neugegründeten Partei die Sperrklausel von 1,5 Prozent zu erreichen, will nun in die Privatindustrie gehen. Der UNO-Botschafter Joram Aridor, dessen diplomatische Erfolge ohnehin nicht allzu hoch bewertet wurden, wird seine Abberufung nicht erst abwarten, er gab seine Demission bereits bekannt. Eine Reihe von weiteren hohen diplomatischen Posten dürfte ihm folgen. Hohe Ministerialbeamte, besonders aus dem Finanzministerium, leeren bereits ihre Schreibtische und Direktoren von öffentlichen Gesellschaften, die meistens wegen ihres Parteibüchleins vom Likud ernannt wurden, wissen nun, wieviel die Stunde geschlagen hat. Im ganzen dürfte es sich um einige hundert Protektionskinder handeln, die nun das Weite suchen werden.

Die neue Regierung indes erwartet eine ganz dringende Aufgabe: in der Fernsehleitung endlich Ordnung zu schaffen. In der Likud-Ära mischte sich der Fernsehrat durch Mehrheitsbeschlüsse massiv und offen-zynisch in fast alles „Anstößige" ein, von Nachrichtensendungen über Interviews bis zu humoristischen Sendungen. Im vergangenen Jahr kam es so weit, daß die TV-Journalisten einige Male Proteststreiks unternahmen, wenn die regierungshörige Fernseh-ratsmehrheit unliebsame Journalisten rügen, maßregeln oder gar bestrafen wollte.

Die Öffentlichkeit wird bei einem solchen Massenexodus sicher keine Träne vergießen. „Wir haben sie satt", war eines der zugkräftigsten Wahlkampfmottos der Arbeiterpartei. Und genau danach handelten auch viele Wähler.

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