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Hier irrt Kassandra!

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Als Berufsoffizier begrüße ich es sehr, wenn sich erfahrene Journalisten der Landesverteidigung annehmen und schonungslos Kritik üben. Diese aber verfehlt den edlen Zweck, wenn sie falsche oder verfälschte Informationen zur Grundlage nimmt.Gerhard Vogl in der FURCHE vom 9. Mai klagt an und sieht schwarz für die Zukunft des Reserveheeres. Er wird es sicher begrüßen, daß sein ehemaliger Brigadekommandant dazu Stellung nimmt.

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Als Berufsoffizier begrüße ich es sehr, wenn sich erfahrene Journalisten der Landesverteidigung annehmen und schonungslos Kritik üben. Diese aber verfehlt den edlen Zweck, wenn sie falsche oder verfälschte Informationen zur Grundlage nimmt.Gerhard Vogl in der FURCHE vom 9. Mai klagt an und sieht schwarz für die Zukunft des Reserveheeres. Er wird es sicher begrüßen, daß sein ehemaliger Brigadekommandant dazu Stellung nimmt.

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Es ist international anerkannt, daß ein Milizheer für kleinere Länder die weitaus effektivste Form der militärischen Landesverteidigung darstellt. Es war daher berechtigt, diese Änderung des Wehrsystems „Heeresreform“ zu nennen. Die Wehrgesetanovellen 1974 und 1976 ergänzen das neue Wehngesetz in dem Umfang, der notwendig ist, ein Milizheer zu schaffen. Zugegeben es sind bereits mehrere Jahre verstrichen, es hätte schneller gehen können, aber ein demokratisch regierter Staat muß wägen, bevor er wagt.

Der Übergang zum Milizheer und dessen weiterer Ausbau wird in Etappen vor sich gehen. Der erste Schritt war die sogenannte Umstellung, die Entlassung aller ehemaligen Neunmonatediener aus der Mob-Verpflichtung und der Ersatz durch junge Seohsmonatediener mit gesetzlicher Tmppenübungspf licht Die Gesamtstärke des Reserveheeres, sprich: Mob-Heeres von annähernd 150.000 Mann wurde dadurch nicht verringert, im Gegenteil verfügen wir derzeit über einen ausreichenden „Polster“ an Personalreserve, was die Mannschaften betrifft. Für die von Vogl erwähnten 40.000 Reservisten mit Kaderfunktion (die Zahl variiert allerdings bis zu 20 Prozent auf oder ab) bleibt jedoch die Mob-Verpflichtung (Beorderung) aufrecht. Diese Reservekader teilen sich in zwei Gruppen. Die erste ist identisch mit den von Vogl genannten 14.000 Kaderreservisten. Diese Unteroffiziere, Offiziere und -anwärter sind gemäß der Wehrgesetz-Novelle 74 kader-übungspflichtig und werden bei den Truppenübungen zur praktischen Ausübung ihrer Funktion herangezogen. Die zweite Gruppe umfaßt den Rest. Diese Chargengrade und Kommanidanten unterster Ebene können nach der derzeitigen Gesetzeslage natürlich im MohUmachungsfall einberufen werden. Das derzeitige Be-serveheer ist daher weder kleiner noch führungslos.

Und ein Wort zum Vorwurf, daß sich weder der Verteidigungsminister, noch die Generale um die Reservisten kümmerten. Deren Aufgabe ist das nicht, das besorgen die Truppen-komimtamdanten — und dies beweisen folgende Zahlen: von der oben erwähnten ersten Gruppe Übungspflichtiger Reservekader haben bis April dieses Jahres 9230 über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaua freiwillige 'Waffenübungen abgeleistet und aus der zweiten Gruppe haben sich 1100 freiwillig zu zwei bis vier Kaderübungen verpflichtet. Kontakt und Betreuung durch die Tiruppen-kommandanten waren also nicht ganz erfolglos.

Der nächste Schritt ziurn Milizheer ist der Austausch der zweiten Gruppe der Reservekiader unterster Befehlsebene und Dienstgrade, die laut Gesetz im Frieden nicht mehr einziehbar sind, durch neuausgebildete Korporale und Zugsführer. Die Wehrgesetz-iNovelle 76 soll dafür die Grundlage schaffen. Organisatorische und aosbildiungsmäßige Vorbereitungen sind getroffen, um noch heuer damit zu beginnen. Bei Ausnutzung der gesetzlich vorgesehenen Rate (12 Prozent) kann diese Umschichtung 1980 vollzogen sein.

Der „brave Soldat Schwejk“ wird keine fröhlichen Urständ feiern und auch der ..Kompanietrpttel“ wird nicht die Regel sein. Erprobungen auf breiter Basis haben bewiesen, daß 90 Prozent der „Auserwählten“ durchaus bereit sind — wenn es das Gesetz befiehlt —, zur Erlangung eines höheren Dienstgrades auch eine zusätzliche Ausbildung auf sich zu nehmen.

Die weiteren Ausbau-Etappen haben bereits die Erweiterung des Milizheeres, insbesondere der territorialen Landwehr zum Ziel.

Die Ära der Priorität der Bereitschaftstruppe ist längst vorbei. Im Herbst 1974 (WG-Novelle 1974) hat die Landwehr gleichgezogen und mit der Wehrgesetz-Novelle 1976 wird der eindeutige Schwerpunkt bei den Milizverbänden liegen. Alle Maßnahmen sind auf die Verbesserung des Reserveheeres ausgerichtet, auch jene, die zunächst der Bereitsohafts-truppe zugute kommen, dienen diesem Zweck. So etwa ermöglicht es die Auffüllung der Dienstposten in der Bereitschaftstruppe, bisher dort eingeteilte Reservekader in die Landwehr einzuordnen. Hohe Stände an aktivem Kader in der Landwehr sind nicht im Sinne einer Miliz, ihre Zahl richtet sich nur nach der erforderlichen Ausbildungskapazität, und die reicht vorerst aus.

Weshalb die Zukunft des Reserveheeres 'daher keineswegs so schwarz ist, wie Gerhard Vogl sie sieht.

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