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Krankes Tier, totes Tier

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Eins, zwei, drei — ein Lied, und Tritt gefaßt zu neuen Taten. Wenngleich dieses Synonym für den Schwung, mit dem Lütgendorfs Hexenmeister Spannocchi seine Pläne im Landesverteidigungsrat vortrug, auf den Gesichtern der Opposition noch etwas ratlosen Skeptizismus zurückließ, unverkennbar ist allenorts die Hoffnung auf einen Weg von der Konfrontation zur Aktion. So verzichtete auch die ÖVP, den Bericht zur Lage über das Bundesheer — von Lütgendörf nach langem Zieren nun endlich vorgelegt — politisch zu einer Fehlerbilanz des Ministers auszuschlachten.

Laßt Spannocchi und sein Team arbeiten — so könnte man die zentrale Devise des Kabinetts Kreisky auf den militärischen Bereich ungemünzt sehen. Mit jungen Kräften unter Hilfestellung der Elektronik will Spannocchi dem Experiment eine solide fachliche Basis legen. Die Frage bleibt, ob die Zahlenketten nicht zu anonym sind, zuwenig mit Leben bereichert, um daraus eine reale Zustandsanalyse zu verfertigen. So sagen allein die Zahlen über den Offiziersnachwuchs, trotz ihrer sinkenden Tendenz, noch viel zuwenig über die wahre Lage auf dem Nachwuchssektor aus. Was nun alljährlich in Wiener Neustadt ausgemustert wird, sind nicht mehr Leutnants Eichthal-scher Prägung — mit erstem Bartflaum auf den Lippen —, sondern Männer am Beginn des dritten Lebens j ahrzehnts.

So verdienstvoll das Bemühen der Verantwortlichen ist, im Bundesheer den Gedanken der Aufstiegsgesellschaft zu verwirkli-:hen, die strukturellen Schwächen, die sich daraus ergeben, dürfen nicht negiert werden. Ähnliches ist auf dem Sektor der Abwanderung aus dem Kaderpersonal zu sagen. Eine Strichliste, garniert mit einem weinenden Auge, ist zuwenig, um die Problematik des Kaderschwundes zu erfassen. Hier geht oft ein Kapitel einer fast zwanzigjährigen Dienstzeit mit entsprechender Erfahrung und Ausbildung verloren. Da kann kurzfristig gesehen auch eine intensive Werbekampagne, die nun regional orientiert einsetzen soll, noch nicht Abhilfe schaffen.

Darauf wird wohl Rücksicht zu nehmen sein, wenn man darangeht, die Wunschvorstellungen über das neue Heeresmodell zu Papier zu bringen. Der Rahmen dazu ist von vornherein mit dem ministeriellen Versprechen, keine Versetzung im Kader vorzunehmen, sehr eng gesteckt.

Energisch wird in diesem Zusammenhang der Verdacht General Bachs zurückgewiesen, die Aufstellung der Bereitschaftstruppe gehe einzig allein zu Lasten der Landwehr. Des Ministers Aufgabe wird wohl nun in erster Linie sein, Hand in Hand mit einem Sichtbarmachen seiner Pläne gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem tiefen Skeptizismus innerhalb des Heeres, der in der Zwischenzeit das Wort „Bundesheerreform“ zu einem Reizwort gemacht hat, Verdachtsmomente zu zerstreuen. Er wird wohl seinen Untergebenen die Loyalität nicht allein mit flammenden Appellen abringen können — weil besser die fachlich abgeleitete Einsicht siegen müßte.

Dazu sollte allerdings im Heer der Gedanke Eingang finden, daß man wohl oder übel mit dem „Sechsmonateheer“ wird leben müssen. Auch muß endlich ein Gesundschrumpfen Platz greifen, bei dem man sich von allerlei liebgewordenem Firlefanz wird trennen müssen.

Und weil viel von dem, was einer Straffung zum Opfer fallen sollte, vom einstigen Ausbildungschef des Bundesheeres, dem Brigadier Lütgendorf, ja ins Leben gerufen wurde, könnte es diesen Vorgang erleichtern.

„Rot“ setzt auf „Schwarz“ — nämlich auf das Bauernbündler-mitglied Spannocchi — vielleicht setzt „Schwarz“ mit?

Nachdem die juridischen Bedenken gegen die Betrauung des Generals aus dem Weg geräumt sind, gilt es, dem Team die nötige Arbeitsruhe einzuräumen.

Wie sagte doch Generai Spannocchi am Beginn der Bundes-heerreform: „Das muß die letzte Operation an der kranken Kuh sein, sonst stirbt t'.as Tier.“

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