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„Heer nach Maß" ist nur ein Torso

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Nun komme ein Heer nach Maß anstelle der Kopie einer Großarmee in Mini-Format: das war der Maßstab für die Reform 1971. Und das ist heute Maßstab der Kritik.

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Nun komme ein Heer nach Maß anstelle der Kopie einer Großarmee in Mini-Format: das war der Maßstab für die Reform 1971. Und das ist heute Maßstab der Kritik.

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Heeresform heute — wie ist sie zu beurteilen?

Positiv die organisatorische Lösung für die Miliz, nicht deren materielle Ausstattung, auch noch nicht ihre Qualität. Das mangelnde Milizbewußtsein in Staat und Gesellschaft ist durch eine Heeresform kaum zu beeinflußen. Die Bereitschaftstruppen sind für eine rasche politische Reaktion ohne viele Aufhebens schlechter geeignet als früher die Einsatztruppen, und sie fressen zuviel Wehrpflichtige, die der Landwehr abgehen.

Die großen Stäbe und überbesetzten Abteilungen im Ministerium sind nicht abgebaut. Die Truppe kann ja Berufssoldaten nicht bis zur Pensionierung beherbergen. Den „Wasserköpfen" kann daher nur dienstrechtlich-sozial begegnet werden, nicht mi-litär-organisatorisch. Die Uberalterung macht besorgt.

Das Armeekommando wurde 1978 als Sektion III dem Verteidigungsministerium eingegliedert. Die zusätzliche Teilnahme an der konzeptiven Arbeit des Ressorts muß das Wirken im Armeebereich schmälern.

Und die „Wehr"-Gerechtigkeit?

Die Verfassung fixiert die allgemeine .„Wehr"-Pf licht, nicht die allgemeine Dienstpflicht. Durchdiener (seit 1971) sind etwa drei Jahre nach ihrer Ausbildung zum „Wehren" wieder unbrauchbar; die (meist voll berufstauglichen) Untauglichen und die vom Präsenzdienst Befreiten haben Vorteile; Zivildiener sind zumindest bei Bedrohung außer Obligo.

Das Wehren besorgen fast nur 6-Monate-Diener (auch nicht alle), alle anderen „Wehrpflichtigen" schauen ihnen dabei zu, besorgen Privates.

Eine schematische Gleichheit ist unmöglich. Privilegien müssen anders ausgeglichen werden, am besten durch einen „Wehrdienstersatz" ähnlich der Schweiz. Die letzten Vorschläge aus der Offiziersgesellschaft haben viel Echo gefunden.

Das „brachliegende Kapital" an ausgebildeten Wehrpflichtigen wächst weiter. 1986 werden höchstens 175.000 beorderte Reservisten etwa 1,1 Millionen nicht beorderten gegenüberstehen. Für zuviel Geld werden zu wenig

„Kämpfer", wird zu wenig Sicherheit produziert. Die Kritik von 1970/1971 müßte verschärft werden!

Das Bundesheer ist noch kein .JJeer nach Maß". Das „Gebäude" Landesverteidigungsplan — Raumverteidigung — Landwehrordnung 1978 steht erst mit 300.000 Mann Mobilmachungsstärke. Höchstens 20 Jahrgänge sind nutzbar; jährlich müßten daher mindestens 20.000 6-Monate-Diener für die Landwehr ausgebildet werden.

Das heutige System gibt ihr nur viel weniger. Nach 1983 sinken außerdem die Jahrgangsstärken erheblich; die Zahl der Wehrpflichtverweigerer aber steigt. Der zahlenmäßige Zuwachs setzt auch den finanziellen Zuwachs voraus.

Heeresreform — wie lange?

Anfangs hieß es: mehrere Jahre; 1979 „Halbzeit", und eben zwölf Jahre - doch 1986 (Zwischenstufe !) wird j a er st ein Torso stehen. 300.000 Mann wurden gelegentlich schon für Mitte der neunziger Jahre versprochen — seriös war das nicht.

Wenige heute Verantwortliche werden die Zwischenstufe 1986, keiner wird das Ende der Heeresreform erleben. Die Qualitätsfrage, ein Kernpunkt jeder Miliz, kann das Ende nur noch weiter hinausschieben.

Die allgemeine Entwicklung des Bundesheeres färbt auch auf die Heeresreform ab. Hier kann nur auf einige (positive) Details hingewiesen werden: etwa auf früher unbekannte Kontakte der militärischen Spitzen z. B. mit dem SPO-Nationalratsklub oder mit dem Präsidium des österreichischen Gewerkschaftsbundes, auf die immer zahlreicheren .Patenschaften" von Wirtschaftsunternehmen und Organisationen über Truppenkörper, auf die vielfache Bewährung österreichischer UN-Kontingente, die zahlreichen Meldungen für die Offizierslaufbahn, auf günstige Ergebnisse der nun häufigen Meinungsumfragen.

Manches ungeheuer Wichtige kann auch nur außerhalb des Bundesheeres geleistet werden: das Milizbewußtsein in der Gesellschaft zu stärken...

Generalmajor i. R. Mario Duic, zuletzt bis 197S Kommandant der Landesverteidigungsakademie, arbeitet als Militärschriftsteller. Der Beitrag ist ein auszugsweiser Vorabdruck aus der Arbeit „Die Bundesheerreform und ihre Entwicklung: Eine vorwiegend militärische Bestandsaufnahme", die Anfang März erscheint in: ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH FÜR POLITIK •81. Hrsg. Khol/ Stirnemann, Oldenbourg und Verlag für Geschichte und Politik. München/Wien. 1982. Subskriptionspreis öS 298.-.

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