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„Jede Woche ein wenig besser“

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Was der glücklose General Lütgendorf als Leiter des Verteidigungssektors immer vergebens anstrebte, eine überproportionale Steigerung seines Budgetanteüs, das will nun Verteidigungsminister Otto Rösch zum zweiten Mal durchsetzen. Im Voij ahr war es zu einem spektakulären Anstieg der Budgetmittel für die Landesverteidigung von 8,6 auf 10 Müliarden Schüling gekommen. Ob es heuer ähnlich aufwärts geht, ist noch fraglich, aber eines steht für den Minister und die führenden Müitärs fest: Das Verteidigungsbudget muß in den nächsten Jahren stärker wachsen als das Gesamtbudget, denn das neue Raumverteidigungskonzept erfordert große Anfangsinvestitionen.

Wie Armeekommandant General Emil Spannocchi bei einem Informationsseminar in der Wiener Landes verteidigungsakademie sagte, ist in der Heeresreform eine entscheidende Phase eingetreten. Die Umstellung auf das neue Verteidigungskonzept, dem eine Abhaltestrategie zugrunde hegt („Österreich muß sich verteidigen können, um sich nicht verteidigen zu müssen“), zeigt die ersten Erfolge. Ein potentieller Angreifer wird sich einen Vorstoß gegen Österreich vielleicht deshalb überlegen, weü der für ihn zu erzielende Nutzen bei Funktionieren der österreichischen Strategie in keinem Verhältnis mehr zum nötigen Aufwand steht.

Daß die 1973 in Gang gesetzte Umstellung viel Zeit braucht, hegt daran, daß man schon bisher (aus nur allzu verständlichen Gründen) „nie eine Position aufgegeben hat, bevor eine bessere erreicht war“, wie Spannocchi betont. Somit sei das österreichische Bundesheer nicht einen einzigen Tag schwächer geworden. Im Gegenteü: „Wir sind dabei, jede Woche ein wenig besser zu werden!“ resümiert der Armeekommandant.

Bis zum Jahr 1986 sollen - so der Major des Generalstabs Jürgen Köberl -30 Landwehrstammregimenter aufge-

stellt werden, die im Einsatzfall als mobile und raumgebundene Landwehr die Aufgaben des Verteidigungskonzeptes zu erfüllen haben. Ab 1. Juli 1978 soll bereits jedem Soldaten am Ende einer Übung die gesamte Ausrüstung mit Ausnahme der Waffe mitgegeben werden. Bis 1986 will Minister Rösch auch die dezentralisierte Depot-Versorgung mit Waffen und Ausrüstung entscheidend vorantreiben. In naher Zukunft sind auch drei Kasernenneubauten geplant, und zwar in Kirchdorf in Oberösterreich, in St. Michael in der Steiermark und in Tams-weg.

Die raumgebundene Landwehr, der wohl die wichtigste Rolle im Verteidigungskonzept zufällt, soll speziell auf den Einsatz in bestimmten Schlüsselbeziehungsweise Raumsicherungszonen vorbereitet werden, die ein potentieller Aggressor unbedingt passieren muß. Insgesamt sollen vorerst 26 Zonen eingerichtet werden, im Möbüisie-rungsfall verwandeln sich 26 der 30 Stammregimenter in Zonenkomman-den.

Natürlich müssen sich die Bemühungen um die Landesverteidigung, insbesondere um den Wehrwillen der Bevölkerung, nach dem Jahr 1986, für das nur ein erster Teüerfolg zu erwarten ist, fortsetzen. Spannocchis Leitsatz nach schweizerischem VorbUd -„Wir haben keine Armee, wir sind eine Armee!“ - setzt eine positivere Einstellung der Bevölkerung zur Landesverteidigung voraus als jene, die heute vielfach anzutreffen ist und die man gerne ignoriert. Gerade im 40. Jahr nach dem Anschluß an Hitler-Deutschland sollte es leichter sein, junge Menschen für die Landesverteidigung zu motivieren. Wer dauernd gegen ein ausgesprochenes Defensivheer wie das österreichische Bundesheer argumentiert, muß auch heute damit rechnen, einmal in die Angriffsmaschinerie einer Großmacht eingebaut zu werden.

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