6873965-1978_37_04.jpg
Digital In Arbeit

Krisenmanagement auf dem Prüfstand

19451960198020002020

Beim Wort „Landesverteidigung“ nur „Bundesheer“ zu assoziieren, ist zu wenig. Denn Österreich bekennt sich gemäß Artikel 9 a der Bundesverfassung zur „Umfassenden Landesverteidigung“. Diese aber besteht neben der militärischen aus geistiger, ziviler und wirtschaftlicher Landesverteidigung. Deren Zusammenwirken sollte in den letzten beiden Wochen in Osttirol durch die Übung „Enzian 78“ erprobt werden.

19451960198020002020

Beim Wort „Landesverteidigung“ nur „Bundesheer“ zu assoziieren, ist zu wenig. Denn Österreich bekennt sich gemäß Artikel 9 a der Bundesverfassung zur „Umfassenden Landesverteidigung“. Diese aber besteht neben der militärischen aus geistiger, ziviler und wirtschaftlicher Landesverteidigung. Deren Zusammenwirken sollte in den letzten beiden Wochen in Osttirol durch die Übung „Enzian 78“ erprobt werden.

Werbung
Werbung
Werbung

„Im Nachbarstaat Grün hat sich eine krisenhafte Lage entwickelt. Seit zwei Wochen wird in Grün-Staat das Militär zur Aufrechterhaltung der inneren Ruhe und Ordnung eingesetzt. In den letzten Tagen verstärkte sich der Reiseverkehr aus dem Nachbarstaat Grün nach Österreich. Dazu kommt ein vermehrtes Auftreten illegaler Grenzübertritte.“

So lautete die angenommene Ausgangssituation für die vom 31. August bis zum 8. September von der Abteilung „Koordination der Umfassenden Landesverteidigung“ des Bundeskanzleramtes in Zusammenarbeit mit der Bezirkshauptmannschaft Lienz durchgeführte Übung „Enzian 78“. Mit ihr endete der Modellversuch „Koordinierte Führungsstruktur“, mit dem Erfahrungen auf dem Gebiet des Krisenmanagements gesammelt werden sollten.

Es war äußerst wichtig, das Zusammenspiel verschiedener Institutionen, wie Katastrophenhilfsdienst, Bundesgendarmerie, Zollwache, Sanitätsdienste, Feuerwehr und Bundesheer, einmal unabhängig von einer wirklichen akuten Krise gründlich in der Praxis zu erproben. Denn jederzeit kann einer jener Fälle eintreten, für die ein solches Zusammenwirken notwendig und vorgesehen ist.

Was nun den „Verteidigungsfall“ betrifft, wo Österreich sich gegen einen direkten militärischen Angriff zur Wehr setzen muß, haben wohl jene recht, die sagen, dieser Fall könnte am ehesten durch erhöhte Verteidigungsbereitschaft vermieden werden - getreu dem Leitsatz der gegenwärtigen Verteidigungspolitik: „Österreich muß sich verteidigen können, um sich nicht verteidigen zu müssen“.

Die militärische Landesverteidigung - Vorbereitung des militärischen Schutzes der Neutralität und der Verteidigung der Souveränität - ist dabei nur ein Teil. Erhöhte Bedeutung kommt auch der zivilen Landesverteidigung zu, die Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und lebenswichtiger Einrichtungen sowie zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Behörden umfaßt.

Besonderes Augenmerk verdienen auch die wirtschaftliche Landesverteidigung, die die Wirtschaft vor kri-sen- und kriegsbedingten Störungen möglichst schützen soll (was nicht unbedingt „Protektionismus“ heißen muß), und die geistige Landesverteidigung, der alle Maßnahmen zur Förderung und Erhaltung des Wehrwillens der Bevölkerung zuzuordnen sind.

Alle diese Aspekte durften bei einer Übung zur umfassenden Landesverteidigung nicht zu kurz kommen. Wobei - für jene, die im Vorjahr im Attergau die Bundesheermanöver „in der Schlüsselzone“ miterlebt hatten, keine Überraschung! - das Verständnis der Bevölkerung und der Einsatz der beteiligten Institutionen sehr groß waren.

Nur ein Auszug aus dem Ubungs-programm deutet die Vielfältigkeit der angenommenen Ereignisse und des Einsatzes an: ein Flugzeugabsturz in Außervillgraten, ein Terroranschlag, auf das Umspannwerk in Lienz, Bergung und Transport von Verwundeten, Einsatz von Rot-Kreuz-Verbänden, eines Ärzteteams und von Sanitätseinrichtungen des Bundesheeres, Einsatz örtlicher Feuerwehren und von Einrichtungen der Bezirkshauptmannschaft, sowie verstärkter Objektschutz für sabotagegefährdete Anlagen durch die Exekutive und eine mobilgemachte Wachkompanie.

Und schließlich erprobte des Bundesheer noch ausgiebig das neue Raumverteidigungskonzept im alpinen Osttiroler Gelände. Lehren aus dem Manöver: Die Ortskenntnis der Verteidiger, die sich schon seit Monaten mit dem Gelände vertraut gemacht und zum Teil seit Wochen nur im Freien geschlafen hatten, machte sich bezahlt. Der Scharfschütze hat bei die-

ser Art des Kampfes große Bedeutung. Zum Teil ist das Heer für den Jagdkampf aber noch mit zu schweren Waffen ausgerüstet, und auch die Ausrüstung des einzelnen Soldaten (Rucksack und dergleichen) ist noch zu verbessern.

Gleichzeitig führte auch das Wiener Militärkommando ein Herbstmanöver durch, das die Möglichkeiten des Verteidigers bei einem Panzerangriff aufzeigen sollte. Auch hier und beim Flugtag der österreichischen Luftstreitkräfte in Linz-Hörsching, wo die zu den besten der Welt zählende österreichische Fliegerstaffel ihr Können zeigte, waren die relativ großen Möglichkeiten einer kleinen Armee erkennbar. Daß ihr qualitativ (durch den Staatsvertrag), vor allem aber quantitativ (aus finanziellen Gründen) Grenzen gesetzt sind, dürfte weniger wiegen, wenn der Gedanke der umfassenden Landesverteidigung durch derartige Übungen immer mehr verbreitet wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung