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Ade schimmernde Wehr!

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Die Frage der Bewaffnung und Ausrüstung des künftigen Bundeshecres, von der heute gesprochen werden soll, ist eine Angelegenheit,

. die neben dem finanziellen Moment auch von .nicht geringer politischer Bedeutung ist.

Betrachten wir zunächst die Möglichkeiten, die Oesterreich auf Grund seiner industriellen Struktur befähigen, zur Bewaffnung und Ausrüstung des Bundeshecres aus eigenen Mitteln beizutragen: Die österreichische Textilindustrie und die lederverarbeitenden Industriezweige werden zweifellos in der Lage sein, den Bedarf des Bundesheeres in vollkommen zweckentsprechender Form zu decken. Was die Erzeugung von Kraftfahrzeugen, ganz abgesehen von Spezialfahrzeugen und Panzern anlangt, stößt dieser in Oesterreich kaum entwickelte Industriezweig bereits auf eine unlösbare Aufgabe. Ohne Berücksichtigung des Umstandes, daß Kraftfahrzeugtypen für den Militärgebrauch erst entwickelt und erprobt werden müßten,

. wäre vorher der Ausbau dieses Erzeugungssektors notwendig, um die zeitgemäße Auslieferung der Kraftfahrzeuge und der Ersatzteile

iZU gewährleisten. Mit der Flugzeug- und Waffenerzeugung ist es noch schlechter bestellt. Hingegen wird es gewiß keine Schwierigkeiten machen, Werkstättenausrüstungen, Pioniergerät, Stahlhelme und dgl. in Oesterreich herzustellen. Auch die Munitions- und Sprengmittelerzeugung ist mit verhältnismäßig geringen Investitionen und Umstellungen in Oesterreich zu bewerkstelligen.

In dieser Beziehung hatte es das Bundesheer der Ersten Republik leichter. Der damalige Friedensvertrag schloß die Verwendung aller modernen Spezialwaffen einschließlich der Luftwaffe vorerst aus. Die Restbestände an Waffen und Material aus dem ersten Weltkrieg reichten bei weitem aus, den drei- oder vierfachen Stand des bewilligten Bundesheeres mit einem Schlag auszurüsten. Die Motorisierung steckte noch bei allen Armeen in den Anfängen. Nach und nach, aus: kleinsten Anfängen, wuchs in beschränkten Bahnen die Modernisierung des Bundesheeres heran, und erst 1936 zeichneten sich auch für den Außenstehenden sichtbare Neuerungen in der Bewaffnung und Ausrüstung ab.

Wir haben es heute unvergleichlich schwerer. Schon der abgelaufene Krieg wurde im Vergleich zum ersten Weltkrieg mit vollkommen neuen Waffen, Geräten und Ausrüstungen geführt. Die folgenden zehn Jahre haben Waffen und Gerät sprunghaft weiterentwickelt, und wir stehen jetzt vor der Tatsache, unter Rücksichtnahme auf diese Umstände ein Bundesheer zu bewaffnen und auszurüsten.

Nicht der Kostenpunkt der Bewaffnung und Ausrüstung des Bundesheeres soll Gegenstand der vorliegenden Erörterungen sein. Diese Möglichkeiten zu prüfen und darüber zu entscheiden, wird Sache der berufenen Politiker sein. Nur eine Frage muß. bevor auf den eigentlichen Gegenstand eingegangen wird, aufgeworfen werden: W;r bezahlt die Bewaffnung und Ausrüstung des Bundesheeres? Zahlt Oesterreich die Bewaffnung und Ausrüstung seines Bundesheeres und kann es beim Ankauf freizügig das Zweckentsprechende kaufen, dann ist alles in Ordnung. Wie schon im vorletzten Artikel bemerkt, spielt die Zeit, die man sich für die Aufstellung des Bundesheeres auf seine volle Stärke lassen soll — keine große Rolle. Die Aufbringung der Geldmittel braucht dann nicht schlagartig erfolgen.

Wird die Bewaffnung und Ausrüstung des Bundesheeres aber* in Form eines einseitig gebundenen Rüstungskredites oder in ähnlicher Weise durchgeführt, so bestehen im Hinblick auf die Neutralitätsklausel, die ein bestimmender Faktor unserer jetzt nach 17 Jahren erreichten Befreiung ist, große Bedenken. Es wird nicht notwendig sein, diese Bedenken im einzelnen auszuführen. Jeder militärisch und politisch gebildete Leser wird sich darauf den zutreffenden Reim machen können.

Nun zum eigentlichen Gegenstand unserer Betrachtungen, zur Frage der Bewaffnung unseres künftigen Bundesheeres: Unter der Annahme, daß Oesterreich nicht in ein atomares Kriegsgeschehen verstrickt wird, gilt bei der Geländebeschaffenheit unseres Landes noch immer die Tatsache, daß die Infanterie die Hauptträgerin des Kampfes ist — obwohl der Koreakrieg zum Teil das Gegenteil bewiesen hatte. Unseren Infanterie- und Alpenjägereinheiten muß daher durch eine entsprechende Waffeneinteilung ein Höchstmaß an Feuerkraft gegeben werden. Schon in der Schützengruppe, die die kleinste taktische Einheit darstellt, muß das Vorhandensein feuerkräftiger Waffen in ausreichendem Maße sichergestellt werden. Nach wie vor wird das Gewehr für den genauen Einzelschuß auf nächste und nahe Entfernungen die normale Bewaffnung für den Soldaten darstellen. Es wird dem Fortschritt der Technik entsprechend eingerichtet sein. Die Treffsicherheit könnte besonders zur Bekämpfung schwieriger Ziele durch die Ausstattung mit einem Zielfernrohr wesentlich erhöht werden. Der Feuerkampf der Schützengruppe wird erfahrungsgemäß vom leichten Maschinengewehr getragen. Diese vollautomatische Waffe wirkt im Gegensatz zum Gewehr durch die Abgabe von Schuß-gruppen bis auf mittlere Entfernungen. Die beste Nahkampfwaffe ist die feuerkräftige Maschinenpistole, die mit Einzelschüssen Jund! Schußgrüppen: vorzüglich auf Entfernungenbis etwa 400 m zu gebrauchen ist.

Eine besondere Aufgabe wird es sein, unsere Soldaten ohne Unterschied ihrer Waffenzugehörigkeit im Gebrauch von panzerbrechenden Nahkampfwaffen zu unterweisen. Gegenwärtig bestehen diese Kampfmittel aus Geschossen mit raketenartigem Antrieb, die aus Zielvorrichtungen abgefeuert werden. Diese Waffen brauchen nicht zur organisationsmäßigen Ausrüstung der Schützengruppe gehören, sondern können entsprechend dem Kampfauftrag eingeteilt werden. Ueberhaupt wird die Ausbildung in der Handhabung der verschiedenen Nah-kampfmittel von besonderer Bedeutung sein, da besonders in der Verteidigung, im Kampf auf nächste Entfernungen) oft erst die Entscheidung fällt.

Die schweren und überschweren Maschinengewehre tragen im Angriff das Hauptgewicht des Feuerkampfes der Infanterie und sind in der Verteidigung ihr Rückgrat. Auf weite Entfernungen, über 1000 m, wirken diese Waffen durch dichtes Garbenfeuer. Zum Unterschied Vom leichten Maschinengewehr, der Maschinenpistole und dem Gewehr, dienen die schweren und überschweren Maschinengewehre auch zum indirekten Beschuß eines Zieles und wirken in verdeckte, der normalen Sicht entzogene Geländeräume. Die gegebenen Steilfeuerwaffen der Infanterie sind die Granatwerfer der leichten, mittleren und schweren Typen.

Als vierte Züge bei den Infanterie- und Alpenjägerkompanien sowie im Rahmen der schweren Kompanien innerhalb der Baone müssen diese Waffen zweckentsprechend gegliedert werden. Neben diesen schweren Waffen der Infanterie werden in den schweren Kompanien, entsprechend der Verwendung, entweder Panzerabwehrkanonen, Feldkanonen, Feldhaubitzen, Gebirgskänonen oder Gebirgshaubitzen in Zugs-verbänden eingegliedert werden. Diese Begleitwaffen geben der Infanterie erhöhte Kampfkraft bei der Lösung von Aufgaben. Kompetenzkonflikte im Unterstellungsverhältnis sind ausgeschlossen, weil schon Organisationsmäßig die Kommandoverhältnisse geregelt und die einzelnen Waffen aufeinander eingespielt sind.

Wie schon im letzten Artikel angedeutet, wird es sich als notwendig erweisen, der Führung SpezialVerbände besonderer Waffengattungen zur unmittelbaren Disposition zur Verfügung zu stellen. Dies gelänge am besten durch die Aufstellung von Panzerabwehrbaonen und Artillerieabteilungen. In diesen Sondereinheiten könnten auch die weittragenden Flachbahn- und Steilfeuergeschütze zusammengefaßt werden.

Neben den bei den aktiven Einheiten und bei der Ausbildung der Reservisten in Verwendung stehenden Waffen und Geräten müssen für den Mobilmachungsfall ausreichende Reserven gelagert werden, um die aus den Reservejahrgängen zu bildenden Ersatzeinheiten raschest ausrüsten zu können.

Was die Luftwaffe anlangt, wäre auch auf die Ausführungen des letzten Artikels hinzuweisen. feSfWird'sich nicht lohnen, Unsummen für die Abstellung einer Fliegertruppe auszugeben, die irrt Falle eines Einsatzes infolge des Fehlens einer entsprechenden Wehrtiefe nicht

Stimmen unserer Leser: einmal über eine genügend gesicherte Operationsbasis verfügt. Unsere Luftstreitkräfte werden ihre Tätigkeit auf Aufklärungs- und Erkundungsaufgaben sowie auf das eventuelle Eingreifen in die Erdkämpfe beschränken. Auch die Jagdwaffe käme im Ernstfall kaum zum Zuge, da Luftoperationen der Gegenwart mit enormer Geschwindigkeit unter entsprechendem Jagdschutz vor sich gehen, so daß wahrscheinlich Jagdschutz und Jagdabwehr aufeinanderprallen würden, ohne die Bomberverbände an der Durchführung ihres Kampfauftrages zu hindern.

Eine erhöhte Bedeutung im Rahmen unserer künftigen Luftwaffe kommt der Luftraumbeobachtung mit modernen Geräten, dem aktiven und passiven Luftschutz sowie dem Luftnachrichtendienst zu. Gerade auf diesem Gebiet wird es viel Mühe kosten, die Entwicklung abgelaufener Jahre einzuholen. Die Entwicklung der Fliegerabwehrwaffen hat ganz neue Wege beschritten. Die Fliegerabwehrwaffen unserer Luftwaffe werden auf Grund der Bestimmungen des Staatsvertrages nur aus den gebräuchlichen Fliegerabwehrkanonen bestehen. Bei der Anschaffung dieser Waffen wird darauf Wert zu legen sein, daß sie auch im Erdkampf zur Lösung von bestimmten artilleristischen Aufgaben und zum Panzerbeschuß verwendbar sind.

Der Panzerwaffe kommt mit Rücksicht auf die Geländebeschaffenheit unseres Landes nur eine beschränkte Bedeutung zu. Aehnlich wie bei der Luftwaffe, muß auch bei der Panzerwaf-fe eine gewisse Tiefe des Raumes vorhanden sein. Die Operationsbasen der Panzerverbände sind infolge ihrer schweren Beweglichkeit empfindlich und müssen notgedrungen weit hinter der Front liegen. Diese Ueberlegung ist für die Einsatzmöglichkeit und die Größe der Panzerwaffe des Bundesheeres bestimmend. Selbstverständlich sind Panzer zur Schwerpunktbildung sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung notwendig; auf Grund ihrer Beweglichkeit und ihrer Feuerkraft eignen sie sich vorzüglich dazu, überraschend einzugreifen, aber in unserem Bundesheer wird die Panzerwaffe kaum dominieren können, weil eben die Voraussetzungen für die Verwendung größerer Panzerverbände fehlen.

Die in diesem Aufsatz angestellten Betrachtungen und Erwägungen wollen keine letzten Entscheidungen der zuständigen Fachleute vorwegnehmen. Sie wurden vor allem angestellt, um mitzuhelfen, daß ein weiter Kreis sich eingehender mit der Wehrfrage beschäftigt.

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