6642516-1958_03_12.jpg
Digital In Arbeit

Landesverteidigung geht alle an!

Werbung
Werbung
Werbung

An wehrpolitischem Schrifttum lag seit dem Staatsvertrag, der Oesterreich weitgehend wehrfrei machte, bisher kaum etwas vor. Um so begrüßenswerter ist es, daß die 2. Sondernummer des „Werkblattes der Katholischen Männerbewegung Oesterreichs“ (Wien I, Singerstraße 7. Preis 7 Schilling) eine Serie von Aufsätzen bringt, die der Wiener Oberhirte, Erz-bischof DDr. Franz König, mit einer Einleitung eröffnet, und zwar mit dem Hinweis auf das vom Heiligen Vater gutgeheißene Verteidigungsrecht, das erfordere, „daß die durch den Militärdienst aufgeworfenen Fragen im Lichtblicke christlicher Verantwortung behandelt werden“. Anschließend gibt als militärische Fachautorität Feldmarschalleutant J a n s a eingehende Erläuterungen „Zum Begriff Landesverteidigung“, der zu dienen heute die Bevölkerung ausnahmslos berufen sein müsse. Ernst T o p i t s c h gelangt in Betrachtungen „Zwischen Militarismus und Pazifismus“ zur Alternative, sich zu wehren oder zu kapitulieren. Der durch seine wehrpsychologischen Arbeiten bekannte Gelehrte zeigt eindringlich die Notwendigkeit wissenschaftlicher Begriffsdefinitionen auf dem Gebiete Krieg-Frieden, der Staatsmann werde die Entscheidung zum Waffenkrieg „leichter fällen können, wenn er weiß, daß sein Volk, von allem Wortnebel unbeirrt, die konkrete Situation zu beurteilen und seinen, Entschluß zu verstehen vermag“. Im Kapitel „Probleme der Organisation der Streitkräfte“ wird festgestellt, daß eine zweckmäßige Landesverteidigung nur Zustandekommen könne, wenn jeder einzelne in sie eingeschaltet wird und daß „die Hauptarbeit noch vor uns liegt“. Ein sehr wesentliches Problem, nämlich „Das Verfügungsrecht über das Bundesheer“, betrachtet in einer Kritik der geltenden Wehrverfassung Johann E 11 i n g e r, der zusammenfassend bemerkt: „Das Verfügungsrecht über das Bundesheer ist in einer Weise geteilt, daß im Angriffsfall der Wert der Landesverteidigung in Frage stehen kann.“

Ein nicht minder beachtenswertes Thema schneiden die „Probleme des Kommandanten“ an; hier geht es darum, inwieweit es verantwortet werden kann, die Kommandanten vor Aufgaben zu stellen, die sie aus Mangel an Mitteln aller Art unmöglich erfüllen können. Der letzte Aufsatz „Der Einfluß der Weltanschauung auf das Ethos des Soldaten“ von Ferdinand K r o n e s schöpft aus reicher persönlicher Kriegserfahrung und befaßt sich mit der Hauptvoraussetzung eines brauchbaren Soldatentums: „Die Führung des Staates hat daher unseres Erachtens die Pflicht, alle erzieherischen Möglichkeiten erschöpfend heranzuziehen, um ein von hohem Ethos durchdrungenes Soldatentum heranzubilden.“ Die 47 Seiten umfassende Schrift „Landesverteidigung geht alle an!“ bietet in meisterhafter Auswahl der Themen und in prägnanter Kürze einen belehrenden Rundblick auf die brennendsten Erfordernisse unserer Landesverteidigung; es bleibt zu wünschen, daß sie ein breites Echo auslöse und alle zuständigen Faktoren, die mit größten Anstrengungen. den ersten Wehraufbau vollzogen haben, im Bestreben unterstütze, das Wissensgebiet „Krieg“ soweit auszuge-

stalten, als es die jetzige Weltlage erfordert. Den Autoren gebührt der aufrichtige Dank aller Oesterreicher, denen das Schicksal ihres Vaterlandes am Herzen liegt.

*

Glanz und Elend des Militärs. Von Alfred de V i g n y. Uebersetzt von Otto Freiherrn von Taube. Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, Nr. 3. Rowohlt, Hamburg. 152 Seiten. Preis 1.90 DM.

Manche Bücher haben nicht nur ihre Schicksale, sondern auch ihre Zeiten, das heißt sie verlieren oft für lange ihre Anziehungskraft, um diese dann wieder auszuüben, sobald ähnliche Zeitläufe eintreten wie jene es waren, unter deren Eindruck sie verfaßt worden sind. Zu solchen Büchern gehört Vignys „Glanz und Elend des Militärs“, das nach 122 Jahren neue Aktualität gewonnen hat. Man hofft zwar auch heute noch ganz wie Vigny auf den ewigen Frieden, solange- dieser aber ausbleibt, stehen noch immer die Armeerl Gewehr bei Fuß, wenn auch in gewandelter Form. Vigny holt seine um drei Novellen geschlungenen Betrachtungen aus den Jahren 1814 bis 1827, als in Frankreich das stehende Heer der Bourbonen eine für das damals langdienende Militär nicht gerade befriedigende Epoche durchlebte, der unterdessen bereits lange die grundsätzliche Unterschiede aufweisende allgemeine Wehrpflicht gefolgt ist. Trotzdem ergeben sich gleiche zeitlose Probleme des Soldatentums, das seit seiner Entstehung doppelpolig bleibt und bei dem erst der Krieg die wahre Erprobung und Berufserfüllung mit sich bringen kann. So schwankt der Waffendienst zwischen dem „Elend“: der passiven Entsagung, dem starren Gehorsamszwang, der resignierenden Vereinsamung, einem oft versklavenden Landsknechttum samt Verleitung zu Ungehorsam, dem Mißbrauch der Wehrmacht zu falschen politischen Zwecken, schließlich dem den Krieger

ALLE NEUERSCHEINUNGEN

besorgt Ihnen naschest

BUCHHANDLUNG „HEROLD“

Wien Vill, Strozzigasse 8

verhaßt machenden Einsatz im Bürgerkrieg — und zwischen dem „Glanz“: dem Bekunden höchster ideeller Werte wie der Ehre, der Eidtreue und eines mit den Waffen Recht und Freiheit wahrenden echten patriotischen Soldatentums. Die Gegenüberstellung von Elend und Glanz läutert wirksam die Auffassung vom Wehrdienst, hilft die sich immer wieder zeigenden Gegensätzlichkeiten zu überwinden und ist imstande, den Weg zum reinen Soldatentum zu ebnen, Der heute um solches noch ringende. Oesterreicher, der zu Vignys „Glanz und HfJÄ,;4es“~Mili-tärs“ greift, wird guttun, vorher seine heeresgeschichtlichen Kenntnisse aufzufrischen, um sich in das französische Milieu vor mehr als einem Jahrhundert einzuleben: wenn er diese Mühe nicht scheut, wird er Alfred de Vigny, der selbst viele Jahre den Offiziersrock getragen, als geistreichen Militärpsychologen schätzen lernen. Eine Bibliographie und eine Einführung des Herausgebers Ernesto G r a s s i geben dem Leser begrüßenswerte Hinweise „zum Verständnis des Werkes“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung