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Immer wieder Bauernkriege

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Kanzler Kreisky hat gute Chancen, von den Chronisten als Politkunst-flieger verewigt zu werden.

Das Ergebnis der Agrargipfelge-spräche ist bekannt: Der Milchkrisengroschen wird um fünf auf zehn Groschen gesenkt und ab Herbst alle zwei Monate überprüft, sowie gegebenenfalls neu festgelegt. Ein höherer Weizenpreis, mehr Geld für die Milchverwertung, eine Dieselpreisverminderung und die grundsätzliche Zusage des Sozialmlnisiters, über die bäuerlichen Zuschußrenten zu verhandeln, sind weitere Aspekte der erzielten Einigung.

Bekannt ist auch die Kulisse, vor der diese Einigung erzielt werden konnte: nachdem besonders die VP-Agrarier monatelang ergebnislos Protestaktionen durchgeführt hatten, riefen nun im kampfgewohnten Kärnten die bäuerlichen Minderheitenvertreter des Allgemeinen Bauernverbandes gegen den Widerstand der parteiintegrierten Bauernorganisationen zu einer Blockade der Molkereien auf und zogen sich damit den Unwillen von (man beachte die seltene Einmütigkeit) örtlicher Handelskammer und Gewerkschaft zu. Die im Zusammenhang mit ihren Streiks sehr heiklen Gewerkschafter boten der Unterkärntner Molkerei gar einen „Geleitschutz“ für Milchtransporte an. Was sich jedoch solcherart wie ein typisches österreichisches Scharmützel ausnimmt, hat tiefergehende und schwerer wiegende Hintergründe, als man sie gemeinhin zur Kenntnis nimmt.

Doch die großen Probleme kommen erst. Und das nicht nur lang-, sondern mittelfristig gesehen. Auch unter diesem Aspekt wird die plötzliche Einigung zwischen den beiden Großparteien auf dem Agrarsektor gesehen werden müssen. Man dürfte auf beiden Seiten erkannt haben, daß das Bevorstehende zur Sachlichkeit zwingt.

Was ins Haus steht und etwa gegen Ende des Jahres erste Auswirkungen nach sich ziehen könnte, ist etwa eine von Präsident Nixon verhängte Exportsperre für Sojabohnen, die eine Futtermittelknappheit bringt. Sowohl die Produktion von Rind- und Schweinefleisch, wie auch jene von Eiern und Geflügel wird sich in diesem Zusammenhang wahrscheinlich verteuern. Die Folgen einer solchen Verteuerung werden sich jedoch nicht nur auf die genannten Produkte beschränken, soferne es nicht gelingt, diesen Prozeß in einem möglichst kleinen Rahmen zu halten. Bekanntlich ist mit Preiserhöhungen bei Lebensmitteln meist auch eine Steigerung des Preisindex verbunden und eine solche wiederum (um nur einen Aspekt zu nennen) zieht ab einer Zweiprozentgrenze eine Erhöhung der Beamtengehälter nach sich, die den inflationsgeplagten Finanzminister jährlich etwa 145 Millionen Schilling kostet.

Ein nationalökonomisches Gruselkabinett kündigt sich also an, was Grund genug für mehr Sachlichkeit und weniger Prestigeaktionen in der Agrarpolitik sein müßte.

Schließlich — und damit wäre man bei den langfristigen Konsequenzen — ist die Existenz der viehzüchten-den Gebirgsbauern (wie das dargestellte Beispiel zeigt) sowohl eine Frage der Lebensmittelversorgung, darüber hinaus aber auch noch ein Problem der Landschaftserhaltung. Der mit einer Hofaufgabe für den Bauern verbundene menschliche Aspekt muß gar nicht erst bemüht werden. Der Bauer ist neben seiner angestammten Aufgabe auch als Umweltspfleger bereits ebenso wichtig, wie jene (meist umweltzerstörende) Industrie, in die man ihn abschieben müßte, wenn man sich seine Existenz nicht leisten will.

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