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Kleiner großer Mann

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Welche Anstrengung, dem christdemokratischen Parteisekretär Fan-fani auf seiner Wahlkampfreise durch das Stiefelland zu folgen: Der nun bald 70jährige „kleine große Mann“ der Democrazia Cristiana schont sich und sein Gefolge keineswegs und hält einen Rhythmus Von Wahlversammlungen, Begegnungen mit Lokalgrößen, Pfarrern, Führern der Oppositionsparteien und anderen Notabein aufrecht, der jedem zweiten Vierzigjährigen einen Herzinfarkt einbringen würde. Kaum daß er hinter einer Polizeieskorte in der Fiat-130 Limousine, dem Wagen des Staatspräsidenten, im 120-km-Tem-po durch die Dörfer geflitzt ist, spricht er im Kino einer größeren Stadt vor tausenden von Personen, hält sein Publikum mit seiner polemischen Sprache und vielen Anekdoten aus seinem Leben als Ministerpräsident, UNO-Präsident, Senatspräsident und . . . Fast-Touris-musminister in Atem. Hier hat er die Lacher auf seiner Seite, dort die Kalten Krieger vom alten und vom neuen Typus, an einer Stelle seiner fast zweistündigen Rede spricht er die Industriellen an, die eine Besserung der Wirtschaftslage nicht bestreiten können, an einem andern Ort richtete er sich an die Hoteliers der Adria, die mit dem Fremdenverkehr auf Gedeih und Verderb verbunden sind.

Um die Bedeutung des Fremdenverkehrs zu dokumentieren, habe er sich, erklärt Fanfani, vor wenigen Jahren selbst um die Leitung des Tourismus-Ministeriums beworben. Moro habe ihn anstandshalber gefragt, welches Ministerium er übernehmen wolle, dabei jedoch an eine Schlüsselstellung gedacht. Er, Fanfani, sehe im Ministerium für Fremdenverkehr und Schauspielwesen nicht „den letzten einsamen Strandplatz der italienischen Machtausübung“, sondern eine zentrale Position der Wirtschaftsführung. Dank all der Valuten der Italienfahrer, kann Italien das Zahlungsbilanzdefizit ausgleichen und ist noch nicht in völlige Abhängigkeit vom Ausland geraten.

So wichtig der Fremdenverkehr ist, so darf er für Italien nicht zur Hauptsache werden. Die Apenninen-halbinsel ist nicht nur ein „Ansichtskartenland“ und Ferienparadies. Chruschtschow habe ihm 1961 in Moskau gefragt, was die italienischen Christdemokraten eigentlich gegen die Kommunisten hätten. Nach Erringung der von Marx in Aussicht

gestellten Weltherrschaft hätte der Kreml Italien doch gewiß einen besonders schönen Platz an der Sonne überlassen: alle Arbeiter der Welt würden dann ihren Urlaub in Italien verbringen!

^Fanfani .verwahrt sich, gegen die Verwirklichung eines solchen Plansolls kommunistischer „Versklavung selbst der Freizeit“. Einmal mehr führten die Kommunisten in Portugal der ganzen Welt ihr wahres Gesicht vor Augen. Cunhal wolle mit einem bloßen 13-Prozent-Anhang die Geschicke des Landes bestimmen,

ganz so, als habe er am 25. April 51 Prozent hinter sich gebracht. Die Behauptung, daß die Kommunisten sich gewandelt hätten, sei nur richtig in dem Sinne, daß sie noch schlechter geworden seien, als es Solschenizyn und andere russische Intellektuelle, so sie überhaupt sprechen und schreiben können, nachweisen.

Unter solchen Vorzeichen müßten die Italiener am 15. Juni einmal mehr den demokratischen Parteien, am besten der Democrazia Cristiana, ihre Stimme geben, nicht den Sichel-und-Hammerparteien, den Kommunisten und den mit ihnen verbündeten Linkssozialisten, den Totengräbern der Demokratie und der Freiheit. Alles könne man der Democrazia Cristiana vorwerfen, nur nicht die Tatsache, daß sie nach dem Untergang der faschistischen Diktatur Italien 30 Jahre lang eine Freiheit ermöglicht hat, wie sie das Land vorher kaum jemals hatte.

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