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Kommunismus bleibt für Christen unannehmbar

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„Wenn wir den Westen dem kommunistischen Osten als ,frei' gegenüberstellen, so tun wir dies letztlich im Namen der geistigen Freiheit, die sich gegen eine von Staats wegen vorgeschriebene Ideologie wehrt und die uns die Forderung erheben läßt, angesichts der letzten Sinnfrage des menschlichen Daseins in persönlicher Verantwortung selbst unsere Entscheidung treffen zu können.“

Der Rektor der Wirtschaftsuniversität und Geschäftsführer des Kardi-nal-Innitzer-Fpnds, Prof. Alois Bru-satti, zitierte diese Worte Gustav Wetters, als er am Samstag den bekannten Marxismus-Spezialisten als Träger des Kardinal-Innitzer-Preises für 1978 vorstellte. Namen und Disziplinen der heurigen Träger des Preises bewiesen, betonte Brusatti, daß die Wissenschaft eine Einheit ist: Der Naturwissenschafter Heribert Riedler (Technische Universität Graz) forsche in Sphären, die den erdgebundenen Raum sprengen, der Historiker Erich Zöllner breite die zeitliche

Dimension auf, und der Sozialwissenschafter Wetter zeige, daß der Kampf um den Platz des Menschen in ' dieser Welt nicht ein solcher der Waffen und der materiellen Güter ist, sondern ein solcher des Geistes. Wenn auch dem Menschen versagt bleiben müsse, die letzte Wahrheit auf dem Weg der Wissenschaft zu ergründen, so sei es dem Menschen aufgetragen, forschend bis zu jenen Grenzen vorzustoßen, die ihm gesetzt sind.

In seiner Dankansprache unterstrich Prof. Gustav Wetter SJ die Unvereinbarkeit von katholischer Uberzeugung und Kommunismus. Vor allem junge engagierte Katholiken in Lateinamerika und Südeuropa glaubten, den Marxismus als Instru-

„... die führenden Kader der Partei... aus Angehörigen der marxistischen Philosophie ...“

ment der Gesellschaftsanalyse einsetzen zu können, ohne die materialistische Philosophie übernehmen zu müssen. Dies sei aber nicht möglich, betonte Pater Wetter, weil bei Marx empirische und philosophische Elemente eng verzahnt seien. Die Anwendung der Marxschen Gesellschaftsanalyse führe automatisch auch zur Übernahme seiner innerweltlichen Heilserwartung.

Die kommunistischen Parteien im Westen, vor allem die KPI, hätten zwar die Religionsfreiheit ebenso wie die anderen demokratischen Freiheiten anerkannt, KPI-Chef Berlinguer habe sogar erklärt, die KPI sei nicht auf den Marxismus im Sinn einer atheistischen Philosophie verpflichtet. Gerade in den letzten Monaten sei es jedoch auch in der KPI zu einer gegenläufigen Entwicklung gekommen. So habe der führende KPI-Theoretiker Luciano Gruppi kürzlich zwar die Invasion in der CSSR 1968

verurteilt, die Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 aber mit der Begründung gutgeheißen, daß „dort die Situation der Kontrolle durch die Kommunistische Partei zu entgleiten drohte“.

Der dem rechten Parteiflügel zuzurechnende Giorgio Amendola habe im Parteiorgan „L'Unitä“ den nichtideologischen Charakter der KPI und ihre Offenheit für Menschen verschiedener philosophischer und religiöser Uberzeugungen unterstrichen. Als dagegen dann Giulio Ce-retti in einem Leserbrief gegen das „Uberhandnehmen idealistischer Strömungen“ in der Partei polemisierte, habe AmeÄdola geantwortet, die führenden Kader der Partei bestünden auf jeden Fall aus überzeugten Anhängern der marxistischen Philosophie. Die Anwesenheit von Andersdenkenden in der Partei mache einen konsequenten Kampf gegen die Positionen jener nötig, die den Dialektischen Materialismus nicht anerkennen, doch müsse dieser Kampf in voller Freiheit geführt werden.

Infolge der Verquickung von empirischer Wissenschaft und philosophischer Spekulation im Denken von Karl Marx führte die Übernahme der marxistischen Gesellschaftsanalyse oft unvermerkt zur Übernahme der marxistischen weltimmanenten Eschatologie und zu einem rein ,;ho-rizontalen“ Verständnis des Christentums, weswegen der Kommunismus auch in seiner milderen westlichen Spielart für den überzeugten Christen unannehmbar erscheint, schloß Prof. Wetter.

Neben Prof. Wetter, der mit dem (großen) Kardinal-Innitzer-Preis ausgezeichnet wurde, erhielten Univ.-Prof. Erich Zöllner (Wien) den Würdigungspreis für Geisteswissenschaften, Univ.-Prof. Willibald Riedler (TU Graz) den Würdigüngspreis für Naturwissenschaften, Dr. Karl Schmölzer (ORF-Studio Wien) den Würdigüngspreis für wissenschaftliche Publizistik. Ferner wurden zehn Förderuhgspreise verliehen.

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