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Kreisky und sein Team...

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„Dem Bauer, der sein Anwesen verwirtschaftet, ist eine schlechte Nachrede in der Nachbarschaft sicher, der Regierung aber soll das alles pardoniert werden?“ Diese wahren Worte sprach, laut „Arbeiter-Zeitung“ vom 6. Februar 1970, Bruno Kreisky, als er noch nicht porträtreifer Staatsmann war und die Inflationsrate deshalb, trotz Vollbeschäftigung und verblüffendem Wirtschaftswachstum, nur bei durchschnittlich 3,5 Prozent lag. Inzwischen — seit „die ÖVP-Wirtschaftspolitik als Griff in die Börsen der Hausfrauen“ („AZ“ vom 13. Februar 1970) abgelöst worden ist durch „eine Zukunft, die sofort beginnen kann, weil gute Vorarbeit geleistet wurde“ (Kreisky laut „AZ“ vom 15. Februar 1970) —, Inzwischen also registriert das Statistische Zentralamt bereits 6,4 Prozent, der Finanzminister prognostiziert maximal 7 und der eher optimistische Professor Nemschak immerhin 8 Prozent, während die Realisten mit Spitzenwerten zwischen 9 und 10 Prozent rechnen. Mit einem Wort: „Alleinregierung macht Arme ärmer'“, wie die „Arbeiter-Zeitung“ in einem Anfall von Pro-phetie bereits am 4. Februar 1970 ihren Lesern kundtat. Und schon am 18. Februar 1970 wußte sie, was erst nach dem Regierungswechsel bittere Wirklichkeit werden sollte: „Preissteigerungen wie noch nie.“ Ihre bange Frage vom 23. Jänner 1970: „Fleisch nach 1. März Luxusware?“ kann jedenfalls mit einem schlichten Ja beantwortet werden.

Hinter soviel Weitblick wollte natürlich der Vorsitzende selber nicht zurückstehen und sagte, laut „AZ“ vom 29. Jänner 1970, in jenem Präsens, das im Deutschen auch ein Futurum ist: „Wir erleben eine horrende Preissteigerungswelle bei Brot, Fleisch, Mieten, Bahn ...“ Ein Meinungsstreit zwischen ihm und dem Zentralorgan entspann sich nur hinsichtlich der Tätigkeit der Regierung, denn während der auf Kanzlerwürden hoffende Oppositionsführer in weiser Voraussicht formulierte: „Die Regierung hat gar nichts getan“, verurteilte das Oppositionsblatt noch am 17. Februar 1970 „die Regierung als Preistreiber“, was jetzt aber von eben diesem Regierungsblatt tagtäglich dementiert wird; denn diese Inflation ist ja, wenn man von Wirtschaftspolitik absolut keine Ahnung hat, eine „importierte“.

Und was die „AZ“ auch sonst schon wußte, damals, im Wahlkampf von 1970! Zum Beispiel, und das just an dem Tag, da Kreisky die Mehrheit bekam: einen „Führerkult“. Und am 27. Februar 1970, also gut zweieinhalb Jahre vor dem 18. Oktober 1972, als Kreisky sich weigerte, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen: „Das ist ein Stil, in dem von jener Fairneß, die der sich sportiv gebärdende Kanzler so gern zitiert, wenn er eine Frage nicht beantworten will, kein Hauch zu finden ist.“

Nur eines hat die „Arbeiter-Zeitung“ damals noch nicht gewußt, nämlich: daß der Schillingentwerter Kreisky offenbar den absurden Ehrgeiz hat, als eine Art umgekehrter Seipel in die Geschichte der Republik einzugehen.

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