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Kulturpolitik - anders

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Als dieser Tage Sprecher der Volkspartei ihre Auffassung von politischer Kulturarbeit darlegten, meldeten sich alsbald Kritiker, die ein wenig vorwurfsvoll bemerkten, daß dies alles ja ganz schön und sogar interessant gewesen sei, daß sie aber doch den „Großen Wurf, den „Großen Plan“ vermißt hätten.

Worauf man antworten muß: eine demokratische und pluralistische Gesellschaft, wie es die unsere (wenn auch mit etlichen diesbezüglichen Unzulänglichkeiten) ist, gewährt „Großen Plänen“ und „Grundlegenden Konzepten“ und wie man derlei sonst benennt, nun einmal keinen besonders guten Nährboden.

Gott sei Dank nicht - denn Große Pläne setzen nun einmal stets einen jeweils Kleinsten Gemeinsamen

Nenner voraus, an dem sie sich ver* ankern lassen; und man sollte sich doch daran erinnern, daß solche Kleinste Nenner einmal „die Rasse“ oder auch „die Klasse“ waren; gegenwärtig werden Versuche angestellt, „die Gesellschaft“ - was immer das sein mag - als Kleinsten Nenner Großer Pläne auszurufen.

Ich gebe zu, daß das polemisch überspitzt sein mag; nicht jeder, der den Stein der Weisen sucht oder alle Übel dieser Welt aus der einen Wurzel kurieren will, ist deswegen schon ein potentieller Faschist oder Linkstotaler. Aber so weit ich mich erinnere, haben „Große Pläne“ ja doch meistens nicht viel mehr als großes Malheur angerichtet; notabene meine ich auch, daß zum Beispiel die Schwierigkeiten, die derzeit den Sozialismus aller Spielarten plagen, hauptsächlich daher kommen, daß er in keiner seiner Erscheinungsformen, marxistisch oder nicht, von der ihm angeborenen Überzeugung lassen will, es

müsse sich irgendwo und irgendwie ja doch der Große Hut finden, der über alles und alle zu stülpen wäre.

Schon gar nicht jedenfalls sollte man Große Pläne versprechen, wenn von Kultur - vorhandener und zu schaffender - die Rede ist So verlok-kend es auch ist, davon zu träumen, daß man mit einem richtigen Rezept und den erforderlichen Mitteln (zu denen freilich, peinlicherweise in diesem Zusammenhang, auch Macht gehören müßte), quasi auf dem Verordnungswege eine gloriose Renaissance-Kultur oder sonstwas dergleichen aus dem Boden stampfen könn--te, so gefährlich wäre ein solcher Traum - und unrealistisch wäre er erst recht. Kultur im Zeitalter der Massenkonsumation, Massenkommunikation und technologischer Normierung kann nur auf Differenzierung gerichtet sein, auf Vielfältigkeit und - man verzeihe das harte Wort - maximale Angebote.

Man könnte sagen: Differenzierung selbst ist heute bereits Kulturleistung.

Eine sinnvolle Kulturpolitik wird sich also hinfort nicht des Instrumen-

tariums der Techniker bedienen dürfen („Plan und Planung“ sind technologische Begriffe), wenn sie nicht Gefahr laufen will, alsbald zu scheitern oder im Undemokratischen zu enden. Sie wird sich statt dessen der freilich viel weniger spektakulären und mühsameren Arbeit hingeben müssen, auf vielfältige Weise Vielfalt zu pflanzen, zu pflegen und zu vermehren; sie wird einer Szene gerecht werden müssen, in der man sich's nicht nur aus ideologischen, sondern auch aus Gründen der Information und der Verständlichmachung angewöhnt hat, von „Kulturen“ statt von Kultur zu sprechen. Selbst der, der hoffen mag, daß sich Hochkultur und Subkultur, Alltagskultur und AU ternativkultur, Volkskultur und Gegenkultur irgendwann, und sei's im nachhinein, als eine Kultur darstellen werden, kann nicht umhin, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten solcher Einzel- und Spe-zialkulturen anzuerkennen.

Eine Kulturpolitik, die diese Realitäten akzeptiert, steht freüich vor dem Problem, vorderhand noch über kein Instrumentarium, zu verfügen, mit dem sie der Lage gerecht werden könnte. Sie wird, seufzend wahrscheinlich, alle etwa noch vorhandenen Großen Pläne in den Schubladen verschwinden lassen müssen.

Statt dessen wird sie, weiß der Himmel wie, die administrierenden Apparate an die Vorstellung gewöhnen müssen, daß hinfort nicht plan-, sondern bedarfsmäßig zu arbeiten sein werde, nicht nach festschreibbaren Regeln und auf dem Verordnungswege, sondern im ständigen Dialog, nicht auf Technologenweise, sondern nach Gärtnerart: wo's eben gerade not tut, sinnvoll erscheint und Früchte aller Art - samt den bekannten Hundert Blumen - verspricht.

In der Tat: wir sollten es uns angewöhnen, Kultur als etwas Natürliches zu sehen, und unsere Mittel dazu verwenden, ihr das natürliche Wachstum zu erleichtern; die Großen Würfe kann man getrost ihr überlassen.

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