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LEBENSQUALITÄT IM ALTER

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Die Stadt Feldkirch nimmt eine sozialpolitische Herausforderung ersten Ranges an. Kürzlich beschloß die Stadtvertretung die Verwirklichung eines Konzeptes, das den Feldkirchern im Alter eine hohe Lebensqualität auch dann ermöglichen soll, wenn sie pflegebedürftig werden.

Die Verwirklichung des Konzeptes ist auf sieben Jahre ausgelegt und enthält Lösungsansätze für Probleme, mit denen alle europäischen Länder aufgrund der Überalterung der Bevölkerung derzeit zu kämpfen haben.

Anstelle des ursprünglich geplanten Großpflegeheimes sollen mittelfristig in allen Stadtteilen kleine Sozialstationen entstehen, wofür rund 300 Millionen Schilling veranschlagt werden. Diese werden sowohl die klassischen Funktionen des Altenheimes wahrnehmen, als auch eng mit den Krankenpflegevereinen kooperieren. Unterstützung und „Urlaub" für pflegende Angehörige, Kurzzeit und Übergangspflegemöglichkeiten werden ebenso zum Programm gehören wie Angebote für andere Bevölkerungsgruppen, die die Kleinheime in das Leben des Stadtteiles integrieren sollen.

Durch die Dezentralisierung der Betreuung soll erreicht werden, daß ältere Menschen in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können, Kontakte und freiwillige Hilfe somit nicht abreißen.

Lebensqualität im Alter kann nicht allein durch ausreichende Pflegeangebote erreicht werden. „Wichtig ist, daß ältere Menschen über die Gestaltung ihres eigenen Lebens bestimmen können, auch wenn sie pflegebedürftig sind." Feldkirch will deshalb als Alternative zur Betreuung zu Hause beziehungsweise zur Übersiedelung in ein Heim die Möglichkeit anbieten, mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter zusammenzuleben.

Neue Formen des Zusammenlebens bieten sich besonders für ältere Menschen an, die keine Angehörigen haben und die zu Hause nicht mehr allein leben wollen oder können. Dabei können sich Menschen verschiedenen Alters im Sinne von Wahlverwandtschaften zu neuen Wohnformen zusammenschließen, sich gegenseitig helfen, aber auch von außen unterstützt werden.

Um älteren Menschen tatsächlich die Wahl zu geben, in welcher Form sie betreut werden wollen, scheint eine Änderung der Pflegefinanzierung notwendig. Wir brauchen nicht so sehr mehr Geld, das Geld muß anders fließen, nämlich über die älteren Menschen selbst. Dazu wünscht sich die Stadt Feldkirch, die 1991 mit dem Feldkircher Modell den Forschungspreis des österreichischen Sozialforums gewann, daß sich die verschiedenen Kostenträger auf einen auf fünf Jahre begrenzten Modellversuch in Feldkirch einlassen.

Die größte Herausforderung für Projektleiter Jochum bedeutet jedoch die Lösung der personellen und organisatorischen Probleme. Seiner Ansicht nach ist dem Personalmangel nicht allein durch bessere Bezahlung oder verstärkte Werbung beizukommen. „Wir wissen, daß wir in zehn Jahren doppelt so viel Pflegepersonal in der Altenhilfe brauchen als heute. Der Pflegenotstand ist vermeidbar, aber wir müssen die Arbeitsbedingungen, Ausbildungssysteme, Kompetenzverteilungen in der Altenhilfe substantiell verbessern."

Organisatorisch scheint den Feldkirchern die „Quadratur des Sozialkreises" gelungen zu sein: Höhere Qualität der sozialen Dienste bei gleichzeitiger Kosteneinsparung. Möglich wird dies durch die zentrale Verankerung kleiner Einheiten im Nahraum, durch die Verlagerung von Pflegekapazitäten in den ambulanten Bereich und durch die enge Vernetzung der verschiedenen Hilfsdienste.

„Die Weichen für eine lebenswerte Stadt für alte und pflegebedürftige Mitbürger sind gestellt, denn sowohl die Politik als auch die verschiedenen Hilfsorganisationen arbeiten in Feldkirch optimal zusammen" resümiert Bürgermeister Berchtold die eigentliche Erfolgsgrundlage des Feldkircher Altenhilfekonzepts.

Der Autor ist Landtagsabgeordneter und Stadtrat in Feldkirch

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