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Mähren - Land der Widersprüche
In Schloß Grafenegg bei Krems, topographischen Aufnahmen der
einem Hauptwerk des Schloßbaues Landschaft Mähren und gliedert sich
des Historismus, wird die Ausstel- in den mit Einfühlung und Ge-
lung „Mähren — Malerische Ansich- schmack wiederhergestellten Räu-
ten aus Romantik und Biedermeier“ eröffnet. Veranstaltet vom Adalbert-Stifter-Verein in München und dem Österreichischen Museum für Angewandte Kunst, umfaßt sie rund 250 Werke an Original- und Druckgraphik, die im wesentlichen aus der Sammlung Dr. Bratmann stammen und zwischen 1800 und 1860 entstanden sind. Sie beginnt mit einigen zum Teil sehr seltenen alten Karten,
men des Schlosses (das in der Nachkriegszeit unter der Besatzung schwerst gelitten hatte) zwanglos in Abschnitte, die ein lebendiges Bild des Landes aus der Sicht der Epoche geben, und Dokumente eines tiefgreifenden Wandels sind.
Wer in ihr künstlerische Haupt-und Meisterwerke der Zeit sucht, wird allerdings enttäuscht sein. Trotzdem ragen zwei Persönlichkei-
ten aus den Ansichten und Darstellungen, mit denen eine Zeit den Begriff der Heimat und deren Geschichte entdeckte, hervor. Der eine ist Jakob Alt, der Vater des ungleich berühmteren Rudolf von Alt, der andere eine liebenswürdige Neuentdek-kung, der Maler und Zeichner Franz Richter aus Brünn, dessen naivromantische Landschaftsbilder Burgen, Schlösser, Ruinen und Höhlen Mährens zeigen und ein typischer Ausdruck des Kunst- und Natur-empfindens seiner Zeit sind. Ansichten der drei Hauptstädte Znaim, Olmütz und Brünn finden sich mit Theaterzetteln und Erinnerungen an die preußische Besetzung in einem Raum, in einem anderen Beispiele der ersten industriellen Revolution in Form von damaligen Gesellenbriefen, den Adelsbriefen der Familie Graf Salm, die viele Industrien Mährens ins Leben rief, Produkten der Gußeisenindustrie und Landschaftsbildern, in deren romantischen Ansichten nun die Fabrik gleichwertig neben den Naturschönheiten erscheint und ala Sehenswürdigkeit betrachtet wird.
Die folgenden Räume sind der Eisenbahn gewidmet. Man findet in ihnen Originalmodelle der Lokomotiven, Fahrpläne, Streckendiagramme, erste Statistiken, Bücher über die ersten Bahnen und ihnen gewidmete Oden. Schließlich zeigen zwei Räume das damalige mährische Volksleben, seine Bräuche und vor allem seine Trachten (letztere in Darstellungen, die zu den schönsten Trachtenbildern der Zeit gehören) und berühmte Lithographiewerke. Man findet dort aber auch eine köstliche Weihnachtskrippe aus Tre-bitsch, deren bäuerliches Spätrokoko Szenen und Typen aus dem Volk zeigt.
Eine liebenswürdige, ausgezeichnete Ausstellung, dem Geiste guter Nachbarschaft im Sinn alter Verbundenheit gewidmet, die hinter dem Begriff Biedermeier und der mährischen Landschaft einen tiefgreifenden Zeitenwandel sichtbar macht: den Aufbruch aus einer scheinbar „heilen Welt“ zu den Problemen unserer Zeit — und schon allein deshalb äußerst sehenswert.
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