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Moskaus Pläne mit Bonn

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Wenn wir die gegenwärtige Deutschlandpolitik Moskaus näher betrachten, so geht sie von der unverhohlenen Hoffnung aus, daß sich die sogenannte „Friedensbewegung" in der Bundesrepublik weiter ausbreiten und der Antiamerikanismus noch verstärken wird.

Ferner rechnen die Sowjets damit, daß in Westdeutschland und in Westeuropa überhaupt immer mehr Kräfte — wenn auch aus sehr unterschiedlichen Erwägungen — zu einem neuen deutschen oder europäischen Nationalismus gelangen werden. In der Endphase der vorhersehbaren Deutschlandpolitik Moskaus geht es schließlich darum, die Bundesrepublik aus dem nordatlantischen Bündnis herauszulösen.

Erst dann wäre für die Kremlherrscher der Weg frei, allmählich auch die innenpolitische Szene der Bundesrepublik in einer für sie günstigen Weise zu verändern.

Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, Moskau wäre an der Schaffung eines — letztlich ineffektiven — kommunistischen Regimes in Westdeutschland interessiert. Was die Sowjets auf weite Sicht anstreben, ist eine prosowjetische Wohlverhaltensweise des bürgerlich-demokratischen Systems der Bundesrepublik.

In der Praxis könnte das dazu führen, daß die Sowjetunion nachhaltigen Druck auf die deutsche Regierung ausübt, beispielsweise die russischsprachigen Sendungen der Deutschen Welle einzustellen oder aber in einer ihr politisch genehmen Form zu gestalten.

Auf ähnliche Weise könnte auch der Weg versperrt werden, Bücher sowjetischer und anderer Dissidenten aus dem Ostblock in Verlagen der Bundesrepublik herauszubringen.

Es würde aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dahin kommen, daß Flüchtlinge aus der DDR und den kommunistischen Staaten Osteuropas wieder in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden müßten.

Im Gegensatz dazu kann ich jedoch weder mittel- noch längerfristig irgendwelche Anzeichen dafür erkennen, daß die Sowjetführer ein Interesse daran haben, die Bundesrepublik auf irgendeine Art und Weise ihrem Herrschaftsbereich einzuverleiben.

Dadurch würden sie sich einmal selbst der Möglichkeit berauben, an der ökonomischen Effektivität eines hochentwickelten kapitalistischen Staates zu partizipieren, und zum anderen würde das für Moskau die Gefahr einer weiteren Schwächung seiner ohnehin angeschlagenen Führungsrolle beträchtlich erhöhen...

Ich spreche nur ungern Verurteilungen aus. Es ist aber zutiefst bedauerlich und politisch in hohem Maße schädlich, daß die „Friedensbewegung" fast ausschließlich und einseitig die Problematik westlicher Nachrüstung in den Mittelpunkt ihrer Kritik stellt und dabei die gesamte Problematik des Sowjetimperialismus völlig ausklammert. Daß gerade die Menschen Osteuropas sich von dieser Bewegung vernachlässigt, wenn nicht gar verraten fühlen müssen, liegt auf der Hand: Sie können nicht verstehen, aus welchen Gründen bei uns einseitig gegen die NATO argumentiert wird und kaum eine Stimme zu vernehmen ist, die sich mit der sowjetischen Mammutrüstung, der permanenten Verletzung elementarster Menschenrechte usw. auseinandersetzt.

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