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Neutraler muß deutlich Grundsätze vertreten
Die Friedenssicherung erfordert vor allem einmal Realismus. Ohne eine nüchterne und umfassende Beurteilung der Lage und der langfristigen Absichten aller möglichen Konfliktparteien, vor allem aber ohne klare Sicht der in den Systemen begründeten Grunddifferenzen der Mächte, würden Friedensbemühungen nicht zum Erfolg, sondern zur Destabilisierung führen.
Ausgangslage jedweder Frie densbemühungen muß ein echtes Gleichgewicht der Kräfte sein, denn die Geschichte hat uns oft genug gelehrt, daß ein Krieg auch geführt wird, wenn eine Seite glaubt, ihn zu gewinnen. »
Auch Österreich ist Bestandteil des Gleichgewichtes, nämlich als Neutraler. Der erste Beitrag Österreichs zur praktischen Friedenssicherung ist daher die volle Erfüllung seiner Neutralitätspflichten. Das heißt: Glaubwürdigkeit durch eine geradlinige, berechenbare Außenpolitik und eine starke Verteidigungsbereitschaft. Keine Seite darf Zweifel an der immerwährenden Beibehaltung der Neutralität haben, niemals darf der Eindruck eines machtpolitisch-militärischen Vakuums entstehen.
Im Bereich der internationalen Friedenssicherung verfügt der Neutrale aufgrund seiner Stellung über einen Glaubwürdig-
keitsbonus, den es gilt, auszuspielen — aber nicht zu verspielen.
Dazu bedarf es einerseits der Vermeidung von Parteinahmen in Konflikten, andererseits der Be-
reitschaft zur Vermittlung, allerdings nur dann, wenn dies sinnvoll und von allen Seiten gewünscht ist. Die größte Gefahr für den Neutralen bei internationalen Abrüstungs- und Friedensbemühungen ist, daß er Opfer der Propaganda der einen oder anderen Seite werden könnte. Dies wird dann vermieden, wenn er die eigenen Grundsätze deutlich vertritt" und sich nicht scheut, für die wahren Inhalte eines dauerhaften Friedens offen einzutreten: für Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen.
Die heute so oft in gefährlicher Weise vom eigentlichen Konfliktstoff losgelöste Behandlung von Rüstungsfragen führt zu keinem Frieden. Waffen werden immer nur Symptome bleiben.
Eine echte Friedenspolitik kann nicht auf den grünen Konferenztisch beschränkt bleiben; die Untauglichkeit dieses Weges wurde in der Zwischenkriegszeit deutlich unter Beweis gestellt. Abrüstung und dauerhaften Frieden schafft man nur durch gegenseitiges Vertrauen. Voraussetzung dafür ist eine gegenseitige Öffnung und die allgemeine Gewährung der Grund- und Freiheitsrechte der Menschen. Dafür einzutreten, sollte die vorkämpferische Aufgabe unserer Friedenspolitik sein.
Das Problem der Kluft zwischen Nord und Süd ist nicht nur ein ökonomisches, sondern ein zutiefst moralisches. Was die Hungernden und Unterentwickelten benötigen, sind nicht Serien von Konferenzen, sondern praktische Hilfe auf partnerschaftlicher Basis. Auch bei uns muß der einzelne Bürger das Gefühl haben, daß er praktisch wirksame Hilfe leisten kann. Dann wird er auch gerne dazu bereit sein.
Der Autor ist außenpolitischer Sprecher der ÖVP.
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