7066959-1992_08_06.jpg
Digital In Arbeit

„Nur wer im Westen besteht, kann im Osten gewinnen"

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE.Die Wirtschafts- und Währungsunion der Zwölf ist unterschrieben, der Europäischen Wirtschaftsraum hat Verwirklichungschancen. Was hat die Bundeswirtschaftskammer zur Vorbereitung getan außer Hochglanzbroschüren zu drucken und Europaspezialisten zu Fortbildungskursen zu schicken?

PRÄSIDENT LEOPOLD MADERTHANER: Grundsätzlich ist es immer noch wesentlich, die Betriebe zu informieren und ihnen zu helfen, Kontakte in den EG-Raum zu knüpfen. Seit mehreren Jahren sind unsere Außenhandelsstellen tätig, um allen, die in die EG exportieren wollen, unterstützend zur Seite zu stehen. Wir können feststellen, daß die Exporte in die EG-Länder zunehmen.

FURCHE: Genügen Beratung und Kontakte? Es muß ja auch um notwendige Innovationsstrategien und Verbesserung der österreichischen Konkurrenzfähigkeit gehen.

MADERTHANER: Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das deutet darauf hin, daß unsere Forderung nach mehr Wettbewerb doch Früchte getragen hat. Der Effekt von Werbekampagnen ist nicht direkt ablesbar, sie bringen auch keine meßbaren Ergebnisse. Aber wenn wir heute feststellen können, daß die Konkurrenzfähigkeit deutlich zugenommen hat, dann ist das ein Zeichen für eine erfolgreiche Strategie.

FURCHE: Da spricht aber die Statistik eine andere Sprache. Das Statistische Zentralamt hat kürzlich unser Außenhandelsdefizit erstmals mit über WO Milliarden Schilling beziffert. Es gibt Exporteinbrüche, auch nach Deutschland.

MADERTHANER: Das bezieht sich aber nur auf das auslaufende Jahr und das beginnende Jahr 1992. Hier gibt es leider wirklich Rückgänge im Export und da schaut die Statistik schlechter aus. Aber diese Entwicklung geht auf Kosten der allgemeinen Konjunktur. Man hat angenommen, daß sie bereits im zweiten Halbjahr wieder weltweit anzieht. Diese Entwicklung ist leider ausgeblieben und drückt auf die Exportziffern. In Amerika hält das Konjunkturtief noch an, ebenso in Deutschland. In Japan konnten wir unsere Märkte halten.

FURCHE: Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat aber bei der letzten Konjunkturprognose kritisiert, daß auch die Unternehmer nicht genugfür ihre Wettbewerbsfähigkeit tun.

MADERTHANER: Das sagt sich so einfach. Es kann sicherlich noch viel getan werden, das stimmt schon. Aber hauptverantwortlich für den Einbruch ist die schlechte Konjunktur/Daß wir noch viel mehr tun müssen, um die Konkurrenzfähigkeit zu verbessern, ist klar. Aber ich kenne viele Betriebe, die in den letzten Jahren Europa-Reife erlangt haben.

FURCHE: Europa-Reife - gemeint ist wohl Westeuropa - wird schon lange gefordert. Andererseits wird vor den großen Herausforderungen durch die Reformländer des Ostens gewarnt. Sie selbst haben gesagt, durch unsere überhöhten Lohn- und Sozialkosten können wir dem Wettbewerb etwa aus Ungarn nicht standhalten. Woran sollen sich unsere Unternehmer jetzt wirklich orientieren?

MADERTHANER: Wir müssen versuchen, beides zusammenzubringen. Wir müssen in der Lage sein, in der westlichen Wirtschaft erfolgreich zu sein. Das ist nicht einfach, aber es muß uns gelingen. Nur wenn wir dem Wettbewerb im Westen standhalten, können wir die Chancen im Osten nutzen.

Die Oststaaten sind natürlich eine zusätzlich Konkurrenz, weil dort derzeit die Löhne wesentlich niedriger sind. Andererseits unternehmen diese Länder große Anstrengungen, in die Westwirtschaft hineinzukommen. Das sieht man am deutlichsten in Ungarn. Diesem Land ist es gelungen, die Ost-Ausrichtung seiner Wirtschaft nach Westen umzupolen. Das bedeutet aber aufgrund des Kostenniveaus eine kräftige Konkurrenz für die österreichische Wirtschaft. Es ist durchaus so, daß wir uns in der nächsten Zeit anstrengen müssen.

FURCHE: Ist da die österreichische Wirtschaft nicht überfordert? Es muß doch Prioritäten geben?

MADERTH ANER: Priorität hat für uns eindeutig die Orientierung nach Westeuropa. Dort müssen wir dem Wettbewerb begegnen. Die österreichische Wirtschaft ist dazu auch in der Lage, wenn man sie nur läßt und nicht hemmt und verbürokratisiert.

FURCHE: Die neue Wirtschaftspartei von Martin Zumtobel hat dieser hemmenden Verbürokratisierung der Wirtschaft, die Sie beklagen, massiv den Kampf angesagt.

MADERTHANER: Die Zielvorstellungen dieser Partei müssen erst einmal umgesetzt werden. Die Umsetzung läßt sich aber immer noch besser von einer großen als von einer kleinen Partei durchführen.

FURCHE: Die neue Partei hat angekündet, daß man sich vor ihr fürchten muß. Wer muß sich denn jetzt fürchten? Der Wirtschaftsbund, der ÖAAB, der Bauernbund...?

MADERTHANER: Niemand. Höchstens die FPÖ, denn von dort werden die meisten Wähler zur neuen Wirtschaftspartei wechseln.

FURCHE: Was veranlaßt Sie zu dieser Hoffnung?

MADERTHANER: Einige der Proponenten veranlassen mich zu der Annahme, daß eher der liberale Flügel wechseln wird.

FURCHE: Als Spitzensprecher der Wirtschaft werden Sie aber in Zukunft trotzdem mehr Flagge zeigen müssen, wenn sich die Zumtobel-Partei nicht allzu stark profilieren soll.

MADERTHANER: Erstens machen wir das ohnehin dauernd. Andererseits sind die Aussagen des Martin Zumtobel jene, die Sie schon vor zwei Jahren im Programm des Wirtschaftsbundes nachlesen konnten.

FURCHE: Sie haben im Dezember gesagt, wenn in der ÖVP nichts mehr geht und die Schwierigkeiten innerhalb der Partei zu groß werden, muß man alle Möglichkeiten durchdiskutieren. Es ging dabei um die Abspaltung einer liberalen Wirtschaftspartei. Haben Sie das Gefühl, es geht jetzt etwas weiter in der ÖVP oder immer noch nicht?

MADERTHANER: Gerade das Dreikönigstreffen der ÖVP im darauffolgenden Jähner hat gezeigt, daß sich die ÖVP wieder verstärkt Wirtschaftsthemen zuwendet.

FURCHE: Wobei sind Sie mit Ihren Anliegen in der ÖVP trotzdem noch nicht weitergekommen?

MADERTHANER: Bei der Entlastungspolitik, das kann ich klar und deutlich zu sagen. Dazu gehört zum Beispiel Entbürokratisierung wie die Vereinfachung der Lohnverrechnung, Stärkung der Eigenkapitalbildung der Unternehmen. Auch die Realisierung der Jahresarbeitszeitverträge, flexibler Arbeitszeitmodelle und ähnliche Maßnahmen stehen noch aus.

FURCHE: An Forderungen mangelt es nicht. Kürzlich hat der designierte Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Günttr Stummvoll, derRegierung einen Forderungskatalog präsentiert. So will er etwa eine definitive Absage an die 35-Stunden-Woche in den Koalitionspakt hineinreklamieren.

MADERTHANER: Gerade die Forderung der 35-Stunden-Woche kann man in unserer derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht aufrecht erhalten. Wir können die Herausforderungen durch den Osten und die EG nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Arbeit lösen. Es gibt genug Beispiele dafür, daß die Arbeitszeit-Verkürzung keine Arbeitsplätze schafft. Nur wenn wir leistungsstärker sind, dann können wir international bestehen. Die Forderung nach kürzerer Arbeitszeit ist nach wie vor absurd.

FURCHE: Wenn Arbeitszeitverkürzung kein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, welche Alternativen haben Sie anzubieten?

MADERTHANER: Wirkönnendie Arbeitslosigkeit nur abbauen, wenn wir noch mehr Arbeit schaffen. Das geht aber nur, wenn wir konkurrenzfähiger werden, damit mehr Aufträge und Arbeit haben und Menschen beschäftigen können. Es hat sich gezeigt, daß wir in den letzten Jahren mehr Beschäftigte hatten, weil wir wettbewerbsfähiger wurden. Ich verstehe nicht, daß jemand glauben kann, mit weniger Arbeit kann man mehr Leute beschäftigen. Diese Rechnung kann nie aufgehen. Kürzere Arbeitszeiten bedingen höhere Unkosten und weniger Konkurrenzfähigkeit. Dazu kommt, daß wir in Österreich die kürzeste Lebensarbeitszeit haben. Wir liegen etwa 20.000 Stunden Lebensarbeitszeit hinter den Japanern, 12.000 hinter den Schweizern.

FURCHE: Im Programm der Bundeswirtschaftskammer steht, daß sie „gesamtgesellschaftlicheVerantwor-tung" tragen will. Dazu gehört doch wohl auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit?

MADERTHANER: Sicherlich, aber kurzfristig kann man das Problem nicht lösen. Wir können nur eines tun: Arbeit schaffen, Arbeit organisieren und dazu brauchen wir eine leistungsfähige Wirtschaft. Und deswegen, nur deswegen rede ich immer von einer leistungsfähigen Wirtschaft und Leistungsbereitschaft. Abgesehen davon, daß Sie in den Betrieben unter der Belegschaft keine Mehrheit für eine Arbeitszeitverkürzung finden. Im Gegenteil: Ein sicherer und gut dotierter Arbeitsplatz ist jedem das wichtigste und nicht etwa die Verkürzung der Arbeitszeit.

FURCHE: Aber es geht doch auch um Menschen,die einfachzum„alten Eisen " geworfen werden. Jeder fünfte Arbeitslose ist schon über 50.

MADERTHANER: Im Zuge der Strukturbereinigung in der verstaatlichten Industrie hat man durch verschiedene Aktionen die Leute in Frühpension geschickt. Damit hat man die Frühpension erst salonfähig gemacht. Heute haben wir das Problem und Österreich ist das Land mit den meisten Frühpensionisten.

FURCHE: Sie haben auch einen Betrieb. Wie viele Ihrer Mitarbeiter sind über 50?

MADERTHANER: Ich habe derzeit 37 Beschäftigte, davon sind sechs über 50. In meinem Betrieb wurde noch niemand aus Altersgründen heimgeschickt. Im Gegenteil: Ich habe von einem zugrunde gegangenen Unternehmen zwei Leute engagiert, einer war 56, der andere 58 Jahre alt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung