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Prioritat des Talents

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Zu Zeiten, in denen die weitere ideelle und kulturelle, soziale und wirtschaftliche Entwicklung - weltweit und in Osterreich - so schwer abzuschatzen ist wie gegen-wartig, gewinnt die Forderung guter Forschung eine besonders grofie Be-deutung. Pathos und Emotionen, taktische Zuge und Spriinge, ja auch guter Wille und Gesinnung allein werden nicht imstande sein, mit den grofien geistigen und materiellen, human- und umweltrelevanten Pro-blemen der Gegenwart und der an-hebenden Zukunft fertig zu werden.

Um nur einige in Erinnerung zu ru-fen: Fragen der Bildung, der geistigen und sozialen Verankerung des Menschen, der Gesundheit und

Krankheit; Probleme der Arbeits-welt, der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandes; Fragen der Pflege und Entfaltung der Natur und der Verfugbarkeit von Rohstof-fen und Energie; Probleme von Recht und Frieden.

Zur Bewaltigung solcher und an-derer drangender Fragen kann und soli die forschende Wissenschaft ihren spezifischen Beitrag leisten: durch Entdeckung, systematische Erhebung, kritische Verarbeitung und verlafiliche Prufung des Gege-benen, durch Erschliefiung und Er-probung neuer Wege des Denkens, neuer Methoden, neuer Gestal-tungsmoglichkeiten.

Es ist heute viel davon die Rede, daB die okonomische Existenz unse-res Landes gefahrdet ist, falls es nicht gelingt, die wirtschaftliche Wert-schopfung durch Einfuhrung international konkurrenzfahiger neuer, „intelligenter“ Produkte, neuer Ver-fahren und neuer Organisationsfor-men zu erhalten und weiter zu erhd-hen. Voraussetzung dafiir ist eine intensive und konsequente, von guten Ideen beflugelte und finanziell gesi-cherte Forschung, welche die ge-samte Spanne von der reinen Grund-lagenfprschung bis zur Uberleitung in die Praxis umspannt.

Es ist in gleicher Weise evident, daB

ein Grofiteil des medizinischen Fort-schritts das Ergebnis naturwissen-schaftlicher, umwelthygienischer und klinischer Forschung ist. Nicht minder bedeutsam ist die wissen-schaftliche Forschung fiir die „Wert-schopfung“ auf geistigem, sozialem und kulturellen Gebiet. Grundle-gende Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung werden zu einem wesent-lichen Bestandteil unseres Erkennt-nisschatzes und Bildungsgutes, unseres modernen Selbstverstandnis-ses, unseres kulturellen und sozialen Bewufitseins.

Der Wert und die Rendite wissenschaftlicher Forschung diirfen kei-neswegs bloB am unmittelbaren materiellen Nutzen, den sie erbringen kann, gemessen werden. Relevanz gewinnen Forschungen, unter einem allgemeinen Gesichtspunkt betrach-tet, durch ihren weiterfuhrenden Charakter: dadurch dafi sie eine in kognitiver oder in praktischer Hin-sicht befruchtende Wirkung aus-iiben; z. B. neue Forschungen heraus-fordern, neue Disziplinen entwickeln helfen, Nachbardisziplinen anregen, neue Anwendungsmoglichkeiten er-schliefien.

Forschung ist kein automatischer Prozefi, den es mit Geld und Organisation nur in Gang zu setzen gilt. Sie beruht auf der Verfugbarkeit beson-derer Begabung von Menschen, die nicht nur fachliche Kompetenz, sondern eine mit Kritikfahigkeit, Zahig-keit und Opferbereitschaft verbun-dene wissenschaftliche Phantasie besitzen. Treten solche Begabungen auf, ist die Aussicht grofi, dafi bedeu-tende wissenschaftliche Erfolge und Fortschritte erzielt werden.

Daher ist auch die „Prioritat des Talents“ ein bewahrtes Forderungs-und Selektionsprinzip. Talent zur Forschung ist nicht an ein bestimm-tes Alter gebunden, doch tritt es fast immer schon in jungen Jahren auf; es bedarf zu seiner Entwicklung eines stimulierenden Milieus und kann nur zu leicht durch Mangel an Anregun-gen und durch Frustration erstickt werden. Daher setzt sich der Fonds zur Forderung wissenschaftlicher Forschung, wenn es um die Dotie-rung des Forschungsbudgets, um Vorschlage zu einer Verbesserung der Forschungsorganisation oder um die Forderung einzelner Projekte geht, mit besonderem Nachdruck fiir die Forderung des hochbegabten Forschernachwuchses ein.

In der Offentlichkeit ist zu wenig bekannt, dafi der Fonds 1978 319 Ar-beitsplatze im Rahmen der For-schungsfbrderung zur Verfiigung stellte, davon 189 fiir Hochschulab-solventen, denen der Fonds durch die Ermoglichung der Mitwirkung an in-teressanten Forschungsvorhaben Gelegenheit zu wissenschaftlicher Anregung, Erprobung und Profilie-rung gab. Dieser Umstand ist um so bemerkenswerter, als sich die Aus-sichten fur die an der Forschung in-teressierten Nachwuchskrafte, inner-und oder aufierhalb der Hochschulen wissenschaftliche attraktive Plan-stellen zu finden, 1978 vermindert haben.

(Aus dem Vorwort des Jahresbe-richts fur 1978 des Fonds zur Fdrde-rung der wissenschaftlichen Forschung.)

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