6904440-1980_39_13.jpg
Digital In Arbeit

Bildung, Innovation und Wirtschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Experten und Politiker sind sich heute im wesentlichen darüber einig, daß die österreichische Wirtschaft so etwas wie eine 2. Industrialisierungsphase braucht, deren Zielsetzung mit dem Schlagwort „intelligente Produktion" bezeichnet werden kann.

Die Frage, welche Aufgaben der Universität dabei zukommen, ist zweifellos sehr wichtig.

Mit der Verwissenschaftlichung der Technik, die sich seit dem 19. Jahrhundert unaufhaltsam fortsetzt, sind Wissenschaft und wissenschaftliche Qualifikationen zu einer unabdingbaren Voraussetzung des technischen Fortschritts geworden. Die Universitäten, als bedeutendste Stätten der Wissenschaft, wurden damit auf Dauer in diesen Prozeß einbezogen, wenn auch in der Form, daß Technikwissenschaft und Technikausbildung sich historisch vorerst außerhalb der Universitäten entwickelt haben und erst allmählich und gegen den Widerstand der traditionellen Universitäten inden Universitätsverband übernommen wurden. Der „Diplomingenieur" gilt seitdem als die innovative Berufsrolle schlechthin.

Begründung und Ausgangspunkt der Hochschulexpansion war nicht zuletzt die Vermutung, daß angesichts des Zusammenhanges zwischen der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes von einem erhöhten Output an Wissenschaftern und Technikern ein „Innovationsschub" zu erwarten sei.

Diese Phase einer wirtschafts- und innovationsorientierten Politik war „angebotsorientiert", war Infrastrukturpolitik für eine innovative Wirtschaft. Die aktuelle Diskussion, die Innovationsforschung und die Innovationsförderung stellen den Innovationsprozeß selbst in den Mittelpunkt des Interesses und als Ansatzpunkt von Interventionen in den Vordergrund. Dies ist eine sehr notwendige und folgerichtige Ergänzung.

In bezug auf die Hochschulausbildung bedeutet dies, daß Verwertung und Verwertungsbedingungen wissenschaftlicher Qualifikationen zu berücksichtigen sind. Die Universität kann ja nur dann innovativ wirksam werden, wenn in der Wirtschaft Innovationsfähigkeit und -bereitschaft vorhanden sind und die Hochschulabsolventen entsprechend eingesetzt werden.

Ein ausreichendes Angebot an Technikern wurde und wird aber mit Recht als entscheidende Voraussetzung von Innovation angesehen, ein „Unterangebot" an Technikern als innovationsver-zögernder oder innovationshemmender Faktor. Die gegenwärtige Debatte um die Entwicklung der Studentenzahlen an den Technischen Universitäten ist ebenfalls von dieser Vorstellung geprägt. Maturanten und Studenten haben entgegen den Voraussagen der Bildungsökonomen in den letzten Jahren zu einem geringeren Anteil technische Studien gewählt.

Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung wird die Befürchtung geäußert, es könnte zu einem „Uberangebot" an Absolventen mit einer prinzipiell praxisfremden, zu theoretischen oder wissenschaftlichen Ausrichtung kommen. Diese Befürchtungen verweisen nicht zuletzt auf die Expansion der Verhaltens- und Gesellschaftswissenschaften.

Die allseits angebotene Erklärung, dies sei das Ergebnis eines durch Technik- und Wissenschaftsskepsis geprägten Zeitgeistes, wird durch die bisherigen Untersuchungen nicht bestätigt.Die Vorstellung kann aber insofern weiterführen, als in der Diskussion um die Folgen des technischen Fortschritts dessen gesellschaftliche Implikationen und die Wechselwirkung ökonomischer, gesellschaftlicher, technischer und wissenschaftlicher Faktoren in der Entwicklung der Industriegesellschaft voll zu Bewußtsein kommen. Das gilt für „Innovation" im engeren Sinn, die ja neben der technischen Neuerung im Prozeß der Anwendung und Durchsetzung neuer technischer Verfahren und neuer Produkte eine Fülle betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und sozialer Fragen aufwirft.

Es gilt noch mehr, wenn man die Gesamtheit der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung im Auge hat. Ob die Entwicklung der Studentenzahlen daher dem „Innovationsbedarf * der Gesellschaft entspricht, läßt sich letzten Endes nur im Zusammenhang mit der Frage beantworten, ob nicht sowohl der Irtnovationsprozeß im Einzelunternehmen als auch die Gesamtheit der Entwicklung unserer Gesellschaft und Wirtschaft vorwiegend als Mangel an technischen Neuerungen definiert wird oder als weiterreichendes Problem.

Die Frage, in welcher Form wissenschaftliche und technische Qualifikation aller praxisrelevanten Disziplinen in welchem Verhältnis zueinander und zur Gesamtgesellschaft innovativ wirksam werden können und sollen, wird weiter auf der Tagesordnung bleiben. Die Frage, welche gesellschaftliche Rolle die wissenschaftlich-technische Intelligenz in unserer Gesellschaft spielen kann und soll, hat noch nicht in allen Aspekten eine befriedigende Antwort gefunden.

Wenn aber einer allgemein vertretenen Erkenntnis zufolge Wissenschaft und Forschung die Grundlage für jede innovative Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft darstellen, so haben jedenfalls die Stätten von Wissenschaft und Forschung - und die Universitäten zählen zweifelsohne zu den bedeutendsten Einrichtungen gerade in unserem Lande - und die durch sie geleistete Bildung und Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage eine zentrale Funktion.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung