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Probleme in Westminster

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Auf innenpolitischem wie auf außenpolitischem Gebiet müssen 1971 von Großbritanniens konservativer Regierung wichtige Entscheidungen getroffen werden, die von weitreichender Bedeutung für die Zukunft des Landes sein dürften.

Die Regierung Heath ist bestrebt, eine politische Philosophie von eindeutig konservativem Gepräge zu entwickeln, wie sie das Land seit 1945 nicht erlebt hat. Innenpolitisch bemüht sie sich, die Staatsbürger zu „größerer Selbständigkeit“ anzuregen. Die Regierung beabsichtigt, die Staatsausgaben zu beschränken und die Steuerlast zu verringern. Doch diese Aufgabe, die ihrer Ansicht nach zur Freisetzung von Kräften beiträgt, muß in einer Periode ernster Inflation in Angriff genommen werden und ohne Zuhilfenahme eines Lohn- und Preisstopps.

Wenn die Regierung das Tempo der Einkommenserhöhungen — die Hauptursache der Inflation — verlangsamen will, muß sie daher in den verstaatlichten Industriezweigen, über die sie eine gewisse finanzielle Kontrolle ausübt, unnachgiebig sein und sich auf die marktwirtschaftlichen Kräfte verlassen. Gleichzeitig hat sie sich verpflichtet, gesetzgeberische Maßnahmen durchzuführen, durch die mehr Ordnung in das industrielle Arbeitsrecht gebracht und inoffizielle Streiks eingeschränkt werden sollen.

Doch in diesen beiden Fragen — Gesetzesvorlage zur Reform des Arbeitsrechts, Notwendigkeit, inflationären Lohnsteigerungen entgegenzuwirken — steht die Regierung in Konflikt mit den Gewerkschaften, freilich scheint es, daß sie in beiden Fragen viel Unterstützung in der Öffentlichkeit genießt. Das neue Jahr dürfte zeigen, ob sie imstande ist, die inflationäre Situation zu meistem und ob es ihr gelingt, sich im arbeitsrechtlichen Bereich durchzusetzen, wo alle früheren Regierungen gescheitert sind. Gleichgültig, wie das Endergebnis ausfallen wird, arbeitsrechtliche und soziale Spannungen erheblichen Ausmaßes dürften unvermeidlich sein.

Das aktuelle außenpolitische Problem: Die Auswirkungen des Versprechens der britischen Regierung, Waffen an die Südafrikanische Republik zu verkaufen, auf die Zukunft des Commonwealth. Mehrere Commonwealth-Staaten’ kritisieren die britische Politik aufs schärfste und haben gedroht, aus dem Commonwealth auszutreten. Es wäre töricht, vorzugeben, daß das Commonwealth im britischen Denken noch die frühere Rolle spielt. Trotzdem würden es viele Menschen der Regierung sehr Übelnehmen, würde sie die teilweise Auflösung dieser vielrassigen Organisation verursachen, insbesondere wegen einer Frage wie Waffenlieferungen an die Südafrikanische Republik.

Im Laufe des Jahres wird sich weisen, unter welchen Bedingungen ein Beitritt zur EWG erreicht werden kann. Die Art dieser Bedingungen wird sich auf die öffentliche Meinung, die sich zur Zeit gegen den

Beitritt wendet, wie auch auf die Haltung des Parlaments auswirken, wo immer noch eine Mehrheit für den Beitritt existiert. Sollte jedoch die Labour-Opposition als Ganzes beschließen, daß die bei den Verhandlungen erreichten Bedingungen unannehmbar sind, hätte die Regierung mit ihrer geringen Mehrheit große Schwierigkeiten.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Premierminister das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben wird, etwa wenn die Gewerkschaften sein innenpolitisches Programm blockieren. Aber eine solche Wahl wäre eine äußerst riskante Sache, wenn es der Regierung bis dahin nicht gelungen ist, der inflationären Situation Herr zu werden.

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